Bessere Quotenmessung im TV: Free Rainer 2.0

Die Gesellschaft für Konsumforschung misst jetzt bei den Einschaltquoten auch, ob Besucher mitgucken oder zeitversetzt ferngesehen wird. Das Internet-TV bleibt jedoch noch außen vor.

Guckst du? Machen die Deutschen sogar auch, wenns auf dem Bildschirm schneit. Bild: photocase/fleißiges faultier

Seit den Sechzigerjahren misst die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) die Einschaltquoten, und zwar immer, Tag und Nacht. Auch an jenem Montag im Mai, als ProSieben um Punkt 15.49 Uhr rund 0,57 Millionen Zuschauer verzeichnete - und man sich fragen durfte, wer diese Menschen sind, die sich eine Sendestörung ansehen. Und wozu die auch noch gezählt werden.

Doch da ist man eben ganz genau bei der GfK in Nürnberg. Immerhin. Insgesamt nämlich sagten die Quoten zuletzt ungefähr so viel aus wie eine Telefonstudie, die nur Apparate mit Wählscheibe berücksichtigt: Internet, Handy, DVD- und Festplattenrekorder - das alles blieb außen vor. Bis jetzt. Denn seit dieser Woche arbeitet die GfK mit neuen Messmethoden, die den veränderten Sehgewohnheiten gerecht werden sollen.

Die Umstellung kostete rund 20 Millionen Euro - was auch nicht ausreichte, damit am ersten Tag mit der neuen Technik alles klappte. So wurden für den 30. Juni keine Quoten ermittelt, in den Vorstandsetagen der Privaten muss betretenes Schweigen geherrscht haben - woran sollte man sich jetzt orientieren? Gestern gab es die Entwarnung: Das System läuft jetzt, die Quoten wurden nachgereicht.

Rund 5.600 Messgeräte hat die GfK im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF), eines Verbunds aus ARD, ZDF und Privatsendern, in ausgesuchten Haushalten installiert. Die Boxen erfassen das TV-Verhalten von gut 13.000 Menschen und funken es nachts nach Nürnberg. Dann wird hochgerechnet: Ein Haushalt steht für 6.000 weitere. Mit "Telecontrol Score", so der Name des neuen Verfahrens, werden noch mehr Verbreitungswege registriert. Zudem erkennen die Geräte, wenn eine Sendung konserviert und bis zu drei Tage nach Erstausstrahlung angesehen wird. Oder wenn Gäste kommen: Bisher ächzten die Boxen schon bei einem Gast - jetzt werden bis zu 16 registriert.

Damit ist das Verfahren schon zeitgemäßer, ausgereift ist es dennoch nicht. Insbesondere bei großen TV-Ereignissen werden die Quoten auch künftig vage sein. Beispiel EM 2008: Offiziell sahen rund 30 Millionen Menschen das Halbfinale Deutschland - Türkei; tatsächlich aber dürften es gut 40 Millionen gewesen sein, rechnet man alle Gruppenglotzer auf Plätzen und in Kneipen mit - und alle Türken, die hier leben und fernsehen.

Denn auch "Telecontrol Score" blendet Nicht-EU-Bürger weiter aus. Allerdings sei man an diesem Thema "dran", sagt Bernhard Engel von der AGF. Auch dran ist man an den Mediatheken der Kanäle: Wie häufig und lange Sendungen nach der TV-Ausstrahlung auf Sender-Webseiten angesehen werden, registrieren bislang nur die Sender selbst. Man teste hier aber gerade ein Verfahren aus den Niederlanden. Wann es in Betrieb genommen wird, ist noch offen.

Definitiv außen vor bleiben dagegen Zuschauer, die sich etwa die neueste "Stromberg"-Folge auf YouTube ansehen. Der Grund: Sobald eine Sendung in Videokanälen stehe, habe sie "den Dunstkreis des Fernsehens verlassen" und werde deshalb auch nicht gemessen, so Engel.

Im Kern geht es hier natürlich um rechtliche Probleme. Und darum, dass die Quote die Währung ist, mit der im TV-Werbegeschäft gerechnet wird, Videokanäle für diesen Markt aber eher uninteressant sind. Dafür verzeichnen die neuen Messgeräte präzise, ob jemand Werbeblöcke überspringt, wenn er eine aufgezeichnete Sendung ansieht.

Engel rechnet ohnehin damit, dass sich "alternative Werbeformen" im TV entwickeln werden, sprich: dass die Werbebranche künftig noch stärker nerven wird. Wie der bereits verwendete "Split Screen". Da werden Produkte einfach eingeblendet, während die Sendung läuft. Überspringen? Geht nicht. Da hilft nur eins: abschalten.

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