Lesen am Wannsee: Das große Treffen der kleinen Verlage

Im Literarischen Colloquium stellen deutschsprachige Kleinverlage ihr Programm vor. Von der Krise zeigen sie sich unbeeindruckt - sie sind ohnehin daran gewöhnt, hart an der Pleite zu wirtschaften.

Zum vierten Mal treffen sich am Samstag im Literarischen Colloquium über zwanzig junge deutschsprachige Verlage zur jährlichen Sommermesse der kleinen Verlage am Wannsee, um ihr Programm und ihre Autoren vorzustellen. Viele von ihnen haben bereits in den letzten Jahren teilgenommen, wie die Berliner Verlage Berenberg, Matthes & Seitz, kookbooks, Max Marek oder der Verbrecher Verlag. Andere, wie der 2008 gegründete Berliner Verlag Onkel & Onkel oder die Berliner Edition Ebersbach, sind zum ersten Mal dabei.

"Von unschätzbarem Wert" seien Veranstaltungen wie diese für die kleinen Verlage, meint kookbooks-Gründerin Daniela Seel, die es trotz exquisiter Gestaltung der Titel mit ihrem auf Lyrik und experimentelle Prosa spezialisierten Programm "sehr schwer" in den Buchhandlungen hat und auf die Erschließung alternativer Vertriebswege angewiesen ist. Als "gefestigt und trotzdem prekär" beurteilt sie die Situation des Verlags im sechsten Jahr nach der Gründung, "aber das ist auch der Sache geschuldet".

Mit der Aktion "Kunst braucht Mäzene", für die befreundete Künstler ihre Werke zugunsten des Verlags versteigern ließen, hatte kookbooks Anfang des Jahres erfolgreich auf seine unsichere Finanzlage aufmerksam gemacht und dringend benötigtes Geld eingespielt. Nicht genug, um den Verlag abzusichern allerdings, und obwohl sich in den ersten fünf Monaten sogar eine Umsatzsteigerung im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen ließ, entschied man sich, dieses Jahr nur drei statt, wie in 2008, acht Neuerscheinungen herauszubringen. Man sei auch vom Arbeitsaufwand her an Grenzen gestoßen, und ohnehin setze die Strategie auf Langfristigkeit und damit auf die klassische Verlagsarbeit: den Aufbau von Autoren und einer starken Backlist.

Auch andere Kleinverleger zeigen sich entsprechend der Tendenz auf dem deutschen Buchmarkt von der großen Krise eher unbeeindruckt. Während der Börsenverein des deutschen Buchhandels mit 9,61 Milliarden Euro für 2008 sogar eine Umsatzsteigerung von 0,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr angibt, spricht Florian Rötzer, Verlagsleiter bei Matthes & Seitz, allerdings von einem "zögerlichen Bestellverhalten" der Buchhandlungen. "Doch bei Verlagen unserer Größe ist die Situation immer kritisch. Aber ein Boot, das schwankt, geht bekanntlich nicht unter." Den Spagat zu beherrschen "zwischen der Ermöglichung und Verbreitung von geistigen Werten und dem ökonomischem Zwang" sei "schon immer" die Aufgabe eines Verlags gewesen. Gerade Kleinverlage brauchen hierzu ein profiliertes Programm - schon angesichts der schieren Menge an Konkurrenten: Der Börsenverein des deutschen Buchhandels geht von 200 bis 300 in Berlin ansässigen Verlagen mit regelmäßiger Buchproduktion aus. Matthes & Seitz, der sich, ehemals in München angesiedelt, 2004 in Berlin wiedergegründet hat, gelingt dies mit einem Programm, das einerseits die hochkarätige Backlist - Georges Bataille, Michel Leiris oder Antonin Artaud - wiederbelebt, aber auch Sachbücher, neue internationale Literatur und essayistische Texte einschließt. Zu den Kleinverlegern, die aufgrund eines klar umrissenen Programms ihre Nische gefunden haben, gehört auch Heinrich von Berenberg, der seinen 2003 gegründeten Berenberg Verlag nun als etabliert empfindet, "in den kleinen Dimensionen, die wir uns vorgestellt haben". Berenberg setzt auf ein klares Profil: biografische und autobiografische Literatur, etwa von Roberto Bolaño oder John Maynard Keynes, und eine charakteristisch gestaltete, gehobene Ausstattung der Bücher, alles "in umweltschonender Auflage".

Abwanderungen von Lesern zu Internet-Blogs oder hin zum E-Book fürchtet er nicht, diese Entwicklung betreffe eher ein Sachbuchpublikum. Auch Florian Rötzer vertraut auf das klassische Buch, möchte aber "wichtige Entwicklungen in Blick auf die Inhalte, die wir vermitteln wollen, nicht verschlafen". Daniela Seel indes sieht das Internet vor allem als Chance, weil es helfe, neue Foren zu erschließen, und den Nutzern ermögliche, mit Lyrik in Kontakt zu kommen, "was ja weder Schulen noch Hochschulen oder Buchhandlungen noch leisten." Die Frage nach der Konkurrenz zum Buch stellt sich für sie nicht. Eine virtuelle Oberfläche reiche nicht aus zur Auseinandersetzung: "Poesie braucht Bücher."

"Bei Verlagen unserer Größe ist die Situation immer kritisch. Aber ein Boot, das schwankt, geht nicht unter"

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