Energie-Universität in Schöneberg: Ein Stahlgerüst für große Pläne

Rund um den Gasometer in Schöneberg soll eine privat finanzierte europäische Energie-Universität entstehen. Jetzt liegt die Baugenehmigung vor. Die Anwohner stöhnen.

Rund um den Gasometer in Schöneberg soll eine privat finanzierte europäische Energie-Universität entstehen. Bild: dpa

Heute wird gefeiert. Zwar noch nicht "das große Richtfest". Aber ein "kleines" soll es schon werden auf dem Gelände des denkmalgeschützten Gasometers in Schöneberg, kündigt Gerhard Hofmann, Sprecher des Europäischen Energie Forums (Euref) mit Stolz in der Stimme an. Denn zum einem sei es gelungen, die während der Fußball-WM 2006 vor dem Reichstag aufgestellte Kuppel zu erwerben. Nun steht die Ex-WM-Bundestagsarena "in einem vorzeigbaren Zustand" mitten im Gasometer und kann "als Veranstaltungsraum für bis zu 1.000 Menschen" genutzt werden.

Noch wichtiger aber ist für die Investoren, dass das Euref nach jahrelangen Auseinandersetzungen die wohl wichtigste Hürde genommen hat. SPD, CDU, FDP und Allianz Graue Panther stimmten in der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof- Schöneberg vor kurzem für den "Bebauungsplan 7-29". Nur die Grünen votierten dagegen. Dieser "B-Plan" weist nun das rund 55.000 Quadratmeter große Grundstück rund um den Gasometer als "Kerngebiet" für Handel, Wirtschaft und Kultur aus. Er erlaubt eine extrem dichte Bebauung. Nur nach oben wurde die geplanten Häuser ein wenig beschnitten, sie dürfen nun maximal 55 Meter in den Himmel ragen. Vorgesehen sind 15 unterschiedliche Bauten vom Hotel an der Ecke zur Dominicusstraße bis hin zu großflächigen Forschungseinrichtungen mit zwischen 6.000 und 30.000 Quadratmeter Nutzfläche.

Jörn Dargel ist daher gar nicht nach Feiern zumute. "Das hat eine Dimension von immerhin des Eineinhalbfachen des Sony-Centers am Potsdamer Platz", sagt Dargel. Er ist einer der Sprecher der BI Gasometer, die seit Jahren gegen das Projekt opponiert. Konkret befürchtet die BI eine Verschattung vieler der nahegelegenen Wohnungen. Dragel und die rund 50 MitstreiterInnen hätten auf dem Gelände "viel lieber einen Park für das jetzt schon sehr dicht bebaute Viertel" rund um die Leberstraße gesehen.

Das Bauwerk: Vor ziemlich genau 100 Jahren wurde der Gasometer in der Nähe des S-Bahnhofs Schöneberg gebaut. Er ist rund 78 Meter hoch und steht seit 1994 unter Denkmalschutz.

Der ursprüngliche Nutzen: Das Gas wurde unter einem Druckzylinder gelagert, der je nach Füllmenge auf- und abstieg. Als Mitte der 90er-Jahre die Versorgung von Stadt- auf Erdgas umgestellt wurde, wurde der Gasometer endgültig stillgelegt. Der Druckzylinder wurde abgebaut, nur das Gerippe blieb stehen.

Die Euref: In und um das Stahlgerippe ist die Errichtung des Europäischen Energieforums geplant. aber auch ein Hotel, Gastronomie und Firmensitze sollen dort Platz finden. Infos im Netz unter www.euref.de

Die Anwohner: Eine Bürgerinitiative aus der Nachbarschaft klagt seit Jahren über das aus ihrer Sicht überdimensionierte Bauprojekt. Infos unter www.bi-gasometer.de

Zwar übergab der Investor im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags vor kurzem für den symbolischen Preis von einem Euro die Nordspitze des Geländes an den Bezirk. Dort soll eine Grünanlage entstehen - aber es handelt sich nur um wenige tausend Quadratmeter. "Grundsätzlich haben wir auch nichts gegen eine Universität zum Thema Energieforschung", betont Dargel, "aber muss es dieser Investor sein?"

Umtriebiger Investor

Hinter dem Projekt steht der Berliner Projektentwickler Reinhard "Archie" Müller mit seiner Konzeptplus AG. Müller hat mit seiner Firma Wert-Konzept unter anderem das Eierkühlhaus neben der Oberbaumbrücke zum neuen Sitz des Musikkonzern Universal umgebaut. Er ist auch an dem neuen Einkaufszentrum am Tempelhofer Hafen beteiligt. Insgesamt will er laut Eigenwerbung auf seiner Internetseite in den letzten Jahren rund 400 Projekte mit einem Gesamtvolumen von rund vier Milliarden Euro realisiert haben.

1999 war Müller an der Gründung der Stiftung Denkmalschutz in Berlin beteiligt. Die finanziert die Sanierung von Baudenkmälern durch die großflächigen Vermietung von Werbeflächen an den Sanierungsobjekten. Auch den Gasometer behängte Müller mit einer aus LED-Leuchten zusammengesetzten Werbetafel - sehr zum Leidwesen einiger Anwohner, die unter dem Lichtsmog leiden.

Anfang Juli hat die Staatsanwaltschaft bei der Stiftung Denkmalschutz Unterlagen beschlagnahmt. Sie ermittelt wegen des Verdachts auf Untreue. Zuvor hatte der Landesrechnungshof kritisiert, dass der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf die Sanierung des Charlottenburger Tors ohne Ausschreibung an die Stiftung vergeben habe.

Cornelia Köster von der BI hält "die ganzen Pläne mit der privaten Stiftungsuniversität und den 5.000 Arbeitsplätzen für vorgeschobenes Blendwerk, um die Änderung des Baurechts durchzusetzen". Angekurbelt wurde das Uniprojekt unter anderem von der Stiftung des Zeit-Gründers Bucerius. Die hatte sich jedoch alsbald genauso verabschiedet wie der bekannte Bauunternehmer Klaus Groth, der unter anderem die CDU-Bundeszentrale im Tiergarten errichtet hat.

Der 60-jährige Stadtplaner Dragel weis, dass ähnliche Forschungsstätten auch in Berlin-Adlershof und in Potsdam geplant sind - sogar mit der Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die BI hält "die größenwahnsinnige Planung eines Projektentwicklers" für "eine Luftnummer". Sie befürchtet, dass nur ein ganz normales Einkaufszentrum "mit Kaufhaus, Bürotürmen und Hotels" entstehen wird, dass wegen des veränderten Baurechts nicht mehr zu verhindern sei. "Deshalb wird die BI juristisch gegen den Bebauungsplan vorgehen", kündigt Dargel an. Ihn stört vor allem das "Rucki-Zucki-Verfahren", mit dem Baustadtrat Bernd Krömer - zugleich Generalsekretär der Berliner CDU - die Planung durchgezogen hat. Fast alle Einwendungen der Nachbarschaft seien übergangen worden.

Dagegen ist der Sprecher der Euref, Gerhard Hofmann, mit seiner Begeisterung kaum noch zu bremsen. "Jetzt kann mit der konkreten Planung der einzelnen Gebäude begonnen werden und sich auf die Suche nach konkreten Investoren begeben werden", sagt er. Sogar der weltgrößte Hersteller von Solarzellen, die Firma Q-Cells aus Bitterfeld, verhandle über den Einzug einiger Abteilungen in einen der denkmalgeschützten Altbauten. Auch mit der Stiftungsuniversität werde es nun konkret. Allerdings wolle man, "um glaubwürdig zu bleiben", erst mal "kleine Brötchen backen". Eine "Summer-School" werde das Projekt "mit Leben erfüllen".

Man habe nun begonnen, eine Akkreditierung der Hochschule beim Wissenschaftsrat zu beantragen, sagt Hoffmann, "das dauert rund eineinhalb Jahre". Dafür müssten genaue Angaben über die Lehrkräfte, die Lerninhalte und die Art der Abschlüsse gemacht werden. "Um fünf große Themen wird sich die Lehrtätigkeit an der Euref drehen", berichtet Hofmann. Mobilität mit Elektromotoren, Geothermie, Energieversorgung der Stadt der Zukunft sowie die Einlagerung von CO2 in den Boden deren Folgen. Dazu kommen laut Hofmann noch als fünftes zentrales Thema "die ganzen rechtlichen Probleme rund um die europäischen Netze und die Durchleitung von Energie zum Beispiel zwischen der Ukraine und Russland".

In diese beiden Länder ist Euref-Vorstand Reinhard Müller in den letzten zwei Monaten gereist. Das immerhin lässt mehr als pure Schaumschlägerei hinter dem Projekt vermuten. In Moskau stellte Müller Anfang Juni seine Uniprojekt vor, für das noch 200 Millionen Euro Stiftungskapital gesucht werden. Zusammen mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) war er beim russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin.

Werben mit dem Minister

Im Juli flog Müller gemeinsam mit Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) in die Ukraine, um dort die Ruine des Atomkraftwerks von Tschernobyl zu besuchen. "Demnächst geht die Reise dann nach Brüssel", berichtet Euref-Sprecher Hofmann. Er freut sich, dass es gelungen sei, Luis Cespo, "in Spanien der Pabst für erneuerbare Energien", für das Projekt zu gewinnen.

Was nun wirklich an dem Projekt dran ist, bringt vielleicht eine geothermische Bohrung auf dem Gelände des Gasometers ans Tageslicht. Die Konzeptplus AG hat kürzlich für den "Claim Tempelhof" beim Bergamt in Cottbus "die Erlaubnis zum Aufsuchen von Erdwärme zu gewerblichen Zwecken". Erste Ergebnisse seien noch in diesem Sommer zu erwarten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.