Mügeln zwei Jahre nach Übergriffen: "Kein Anlass" für Konzert gegen Rechts

Der sächsische Ort Mügeln bleibt blind gegenüber Rechts: Wo vor zwei Jahren Inder angegriffen wurden, haben auch heute antirasstistische Vereine wenig Rückhalt.

Rassistische Tendenzen sind in Mügeln keine Seltenheit. Bild: dpa

MÜGELN taz | Ganz auf Eintracht und Harmonie setzt das Programm des diesjährigen Stadtfestes im sächsischen Mügeln. Zum 1.025-jährigen Stadtjubiläum begann am Wochenende eine Festwoche. Da hätte ein antirassistisches Konzert nur gestört, das kurz danach geplant war. Bürgermeister Gotthard Deuse (FDP) und der Stadtrat sprachen ein Verbot aus.

Wahrscheinlich wollte man während der Feierlichkeiten nicht an die Übergriffe gegen Inder beim Stadtfest vor zwei Jahren und an die offene oder verdeckte Fremdenfeindlichkeit in der Stadt erinnert werden.

Roman Becker und Susan Anger vom Verein Vive le Courage, der ab 23. August eine antirassistische Aktionswoche plant, sind verwundert über das Verbot. Sie erklärten, dass sie schon seit September des Vorjahres eine mündliche Zusage des Bürgermeisters für das am 29. August geplante Konzert hätten. Beim Versuch im Juni dieses Jahres, einen schriftlichen Vertrag zu bekommen, erhielten sie eine Absage.

Die Begründungen von Bürgermeister Gotthard Deuse wechselten dabei ständig. In einem Brief an den Verein heißt es, der Park im Mügelner Vorort Schweta werde generell nicht für politische Veranstaltungen zur Verfügung gestellt. Der Nachrichtenagentur ddp sagte Deuse hingegen, es sei nach dem Skandal vor zwei Jahren "noch zu früh" für eine solche Veranstaltung, für die er "keinen Anlass" sehe. Mittlerweile werden auch Sicherheitsbedenken ins Feld geführt. Öffentlich zieht sich Bürgermeister Deuse jetzt hinter ein anderes formales Argument zurück: Ein Kindergarten müsse wegen Sanierungsarbeiten im Sommer vorübergehend die Örtlichkeit nutzen.

Auch der Stadtrat hält Ruhe offenbar für die erste Bürgerpflicht. Nach gewohntem Muster würden linke oder nichtrechte Jugendliche als Unruhestifter angesehen, beschweren sich linke Vereine. Sieg-Heil-Rufe oder nazistische Schmierereien gelten als Bagatelldelikt, so Susan Anger. Nach Angaben ihres Vereins meint auch die bei der Stadt angestellte Jugendarbeiterin, Mügeln habe kein rechtes, sondern ein linkes Problem. Einen gegen das Rathaus geworfenen Molotowcocktail ordnet Bürgermeister Deuse ungeachtet polizeilicher Ermittlungen sofort den Linken zu, da Rechte angeblich "so etwas nicht machen".

Dabei sind rassistische Tendenzen in Mügeln keine Seltenheit. Eine Chronik des antirassistischen Vereins listet allein für die ersten fünf Monate dieses Jahres 18 Straftaten mit rechtsextremem oder ausländerfeindlichem Hintergrund im Raum Mügeln auf. Sie reichen von Propagandadelikten über Sachbeschädigung bis zu teils schweren Körperverletzungen. In vielen Fällen ist die Staatsanwaltschaft aktiv geworden.

Die NPD klatscht dem "prinzipienfesten" Bürgermeister Deuse eifrig Beifall. Er habe sich "Bodenhaftung und Volksnähe bewahrt", schrieb der nordsächsische NPD-Kreisrat Steffen Heller.

Vive le Courage wird das antirassistische Konzert statt in Mügeln nun im elf Kilometer entfernten Ort Oschatz organisieren.

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