Alles wieder gut

Der Aufstand beim „Spiegel“ ist abgesagt und Chefredakteur Stefan Aust kann mit Unterstützung der Gesellschafter ungestört wie nie weiterarbeiten

VON OLIVER GEHRS

Die Spiegel-Kantine ist ein gemütlicher Ort. Im orangefarbenen 70er-Interieur lässt sich der graue Alltag schnell vergessen, das Essen ist auch lecker. Dennoch ist Stefan Aust nicht allzu oft hier, manchmal hält ihn die Arbeit ab, manchmal ist er unterwegs. Er ist ja schließlich der Chef. Der wird er auch bleiben.

Nach wochenlangem Krach wurde der Aufstand gegen ihn am Mittwoch gleich doppelt beerdigt – erst in der Gesellschafterversammlung, danach in ebenjener Kantine. Diesmal war auch Aust da, zusammen mit seinem Berliner Büroleiter Gabor Steingart, um in der Mitarbeiterversammlung ein klärendes Wort zu sprechen. Er konnte sich als Sieger eines Machtkampfs präsentieren, bei dem er der geschickteste Taktiker war – geschickter jedenfalls als sein hausinterner Gegner Thomas Darnstädt, Vorsitzender der Mitarbeiter KG, der die politische Ausrichtung des Blattes auf die Tagesordnung der Gesellschafterversammlung gesetzt hatte, woraufhin Stefan Aust die innere Pressefreiheit in Gefahr sah.

Dass Erbin Franziska Augstein den Spiegel anschließend als „geschwätziges Blatt“ bezeichnete, brachte selbst Aust-Kritiker auf die Seite des Chefs. Bei der großen Aussprache nun ruderte Darnstädt weitestmöglich zurück mit einem Mea culpa immensen Ausmaßes. Er habe nie Kritik am Spiegel gehabt, sondern lediglich über die Kritik, die von anderen am Spiegel geübt wurde, sprechen wollen. Dennoch wurde Darnstädt von manchen Kollegen aufgefordert, sein Amt ruhen zu lassen, was er angeblich nun prüft. Die inhaltliche Debatte blieb aus und wurde verschoben. Man werde, so waren sich alle einig, demnächst mal auf einer Montagskonferenz darüber sprechen, ob es die angeprangerten Qualitätsmängel wirklich gebe. Das war’s.

Auch in der Gesellschafterversammlung wurde Aust zuvor der Rücken gestärkt – mit einer Erklärung, aus der hervorgeht, wie sehr allen daran gelegen ist, Schaden vom Haus abzuwenden. „Alle Gesellschafter des Spiegel-Verlages haben auf ihrer heutigen Versammlung die öffentliche Kritik am Spiegel, seiner Redaktion und seinem Chefredakteur zurückgewiesen. Das Vertrauen in die Kompetenz der Redaktion und des Chefredakteurs ist durch die Diskussion aus Sicht der Gesellschafter in keiner Weise in Frage gestellt.“

Vor allem der Gruner+Jahr-Chef Bernd Kundrun dürfte darauf gedrängt haben, dass jetzt Ruhe einkehrt und weiter Geld verdient wird. Und solange ihn G+J will, ist Aust eh sicher. Zugleich ist Jakob Augstein mit der Erklärung auf größtmögliche Distanz zu seiner Schwester gegangen, die zuvor in einer Antwort auf die Erklärung der Ressortleiter („Eigentum – auch wenn man es geerbt hat – verpflichtet“) darauf hingewiesen hatte, dass ihr Vater mitnichten wollte, dass seine Kinder keine Macht beim Spiegel haben.

Wichtig ist das nun alles nicht mehr. Aust kann ungestörter denn je weiter arbeiten, mit der Gewissheit, dass seine größten Feinde mittelfristig Ruhe geben werden. Darnstädt gilt nun als blattschädigend, Franziska Augstein als durchgeknallte Erbin. Einen Herausgeber muss Aust nicht fürchten – denn wer sollte das sein? Die Erben bestimmt nicht, die erstmals gespürt haben, was es heißt, statt mit 25 nur noch mit 24 Prozent am Spiegel beteiligt und ohne Mitspracherecht zu sein.

Dennoch hat die Diskussion etwas gebracht – allerdings erst für die Zeit nach Aust, die frühestens in zwei Jahren anbrechen dürfte. Austs Kronprinz Gabor Steingart wird wohl kaum noch Chancen auf die Nachfolge haben, schließlich ist keinem der Gesellschafter daran gelegen, dass sich in wenigen Jahren eine ähnliche Diskussion wiederholt. Man wird sich eher schon einen Mann wünschen, der das Blatt politisch ausgewogener macht – und der wieder weniger kampagnenselig ist.