Machtkampf im Iran: Der Durchmarsch der Gardisten

Die politisch-ökonomische Führung in Teheran ist von den greisen Klerikern an die Generation der Elitesoldaten aus dem iranisch-irakischen Krieg übergegangen.

Die Chefs dieser Revolutionsgardisten kochen ihr Süpphen längst schon ohne geistlichen Beistand. Bild: ap

Die Nachrichten, die aus Teheran kommen, lassen wenig Zweifel daran, dass eine interessierte Öffentlichkeit sich schnell von der Vorstellung lösen sollte, die Islamische Republik sei (noch) ein "Mullah-Regime". War dieser Begriff im Bild-Jargon stets mit dem Mangel behaftet, den gesamten schiitischen Klerus in denselben islamistischen Topf zu werfen, so ist er spätestens mit dem Amtsantritt Ahmadinedschads 2005 und der darauf einsetzenden Militarisierung der Gesellschaft und ihrer Institutionen unerträglich hohl geworden.

Und dies nicht nur deshalb, weil einige der schärfsten Gegner des vermeintlichen "Mullah-Regimes" selbst Mullahs sind: Die gegenwärtigen Entwicklungen lassen sich nur dann angemessen historisch einordnen und interpretieren, wenn sie im Horizont eines langjährigen Prozesses elitärer Machtverlagerung gesehen werden, der die politisch-ökonomische Führung Irans aus den Händen greiser Kleriker in jene von Elitesoldaten in ihren Mittfünfzigern überführt.

Erstere wurden in theologischen Seminaren und den Gefängnissen des Schahs politisiert, Zweitere in technisch-wirtschaftlichen Studiengängen und auf den Minenfeldern des Irak-Iran-Kriegs, in dem sie - im solidarischen Glauben an die Revolution vereint - diese gegen innere und äußere Feinde verteidigten.

Täglich werden inzwischen in iranischen Medien die Statements hochrangiger Revolutionsgardisten veröffentlicht, als handele es sich um Auskünfte von Metaministern. So beschuldigte etwa der Leiter der Propaganda-Abteilung der Revolutionsgarden, General Dschadollah Dschavani, zu Beginn der letzten Woche sowohl die Kandidaten Mehdi Karrubi und Mir Hossein Mussawi als auch den Expräsidenten Chatami, Aufstände geschürt zu haben, und forderte ein Gerichtsverfahren, um deren Rolle in dem vom Ausland orchestrierten "samtenen Staatsstreich" zu untersuchen.

Kurz darauf warnte dann Brigadegeneral Massud Dschasajeri vor einer "zweiten Phase des grünen Coups", die eine stärkere Überwachung der Presse und der diplomatischen Vertretungen in Teheran erfordere. Gegen Mitte der Woche bekräftigte sodann Dschadollah Dschavani seine Forderung, Mir Hossein Mussawi den Prozess zu machen, und titulierte Mohammed Chatami als religiösen Heuchler.

Am Sonntag meldete sich schließlich der Oberkommandant der Revolutionsgarden Ali Dschaffari mit der programmatischen Äußerung zu Wort, das "wichtigste Anliegen des Systems" bestehe derzeit darin, "samtenen Bedrohungen auf kultureller, ökonomischer, politischer" und - Achtung - "sozialer Ebene entgegenzutreten". Eine Äußerung, die im Zusammenhang mit der Ankündigung Mussawis zu sehen ist, der Protestbewegung in Gestalt eines sozialen Netzwerks eine organisatorische Form zu geben, die, so die Zeitung Ete made Melli am Sonntag, "Grüne Welle der Hoffnung" heißen soll.

Während die Weltöffentlichkeit ratlos die Bilder des Teheraner Schauprozesses bestaunt und das detaillierte Publikwerden von Vergewaltigungspraktiken dank des Mutes Mehdi Karrubis immerhin den Fokus auf die physische und psychische Vernichtung politisch Gefangener in bester Schah-Tradition aufrechterhalten kann, zeugt indessen die scharfe Kritik an der "taktisch falschen" Vorgehensweise Karrubis seitens des Parlamentspräsidenten Ali Laridschani davon, wie eng der Spielraum geworden ist, in dem überhaupt noch Kritik möglich ist, ohne aus dem Kreis der "chodi" (der Dazugehörigen) in jenen der "gheir-e chodi" (der Anderen, oder: der Feinde) verstoßen zu werden.

Laridschanis unerwartet schnelle Zurückweisung der Anschuldigungen Karrubis als "Lügen" kam nur einen Tag nachdem der Parlamentspräsident selbst bezichtigt worden war, mit der Opposition zu sympathisieren, da er eine rigorose Linie gegen Idiosynkrasien Ahmadinedschads bei der Kabinettsbildung angekündigt hatte. Inwiefern die Ernennung seines Bruders Sadegh Laridschani zum Chef der Judikativen durch Revolutionsführer Chamenei als Konzession an die gemäßigten Prinzipientreuen um Mohsen Resai und Ali Laridschani aufzufassen ist, bleibt abzuwarten.

Nachrichten, nach denen Ahmadinedschad im Nachspiel der Entlassung des Ministers Mohseni-Edschei nunmehr das Informationsministerium unter Federführung des Chefs der Bassidschi-Milizen, Hassan Taeb, säubern lasse, um Schlüsselpositionen mit vertrauten Revolutionsgardisten zu besetzen, bestätigen jedenfalls, dass vom "Mullah-Regime" zu sprechen irreführend ist - zumal Mohseni-Edschei der letzte Geistliche im Kabinett Ahmadinedschad war. Fest steht freilich, dass die Protestbewegung, die derzeit als vermeintliche Marionette ausländischer Agenten vor Gericht steht, am 8. Juni 2009 entstand, als zehntausende Anhänger Mir Hossein Mussawis auf dem Vali-Asr-Boulevard von Süden nach Norden durch Teheran marschierten und sich der Tatsache bewusst wurden, wie viele Menschen auf ihrer Seite standen. Anders als die Revolutionswächter gern im In- und Ausland glauben machen wollen, protestierten all diese Menschen nicht, weil sie vom Ausland angestiftet worden waren, sondern weil ihnen - wie so oft - die Genehmigung entzogen worden war, im Teheraner Asadi-Stadion ihre Kundgebung abzuhalten.

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