Kolumne Laufen: Schwäbische Linsen aus Mexiko

Kann man mit einem Traditionsessen scheitern? Bei amerikanischen Iren schon.

Am vergangenen Wochenende bin ich gelaufen. Nicht nur so locker und leicht durch den Wald, sondern bei einem Wettkampf. Aber keine Angst, ich wollte nur "zum Spaß" laufen. Als der Startschuss fiel und die Topathleten beim Tübinger Stadtlauf die Neckargasse hochsprinteten, konnte ich aus guter alter Gewohnheit gar nicht anders: "Nur zum Spaß" bin ich einige Meter mitgesprintet.

Das Spiel war natürlich schnell vorbei und die afrikanischen und deutschen Spitzenläufer waren in wenigen Minuten mit großem Abstand weg. Nach diesen zwei Gruppen folgte die dritte mit Spitzenläufern aus Europa und die vierte Verfolgergruppe mit lokalen Läufern und Triathleten.

Klar sehe ich mich immer noch als Laufspezialist und deshalb lief ich nicht mit den Triathleten, sondern mit den Laufkollegen aus Europa. Triathleten können doch weder richtig schwimmen noch Rad fahren. Vom Laufen ganz zu schweigen. In jedem Fall war ich in der dritten Gruppe gut aufgehoben. Dreimal mussten wir die steile Neckargasse hoch, und wenn sich in den ersten Runden einer der vor uns Laufenden überschätzt? Ja, dann geht noch was, ein kurzer Spurt, wie in den guten alten Zeiten. Ich lief unmittelbar hinter einem Marathonmann aus Irland. In einem Trainingslager in den USA hatte ich vor vielen Jahren mit einigen irischen Läufern trainiert.

Zum Dank für die Gastfreundschaft und für gemeinsame Trainingsstunden wollte ich meinen Freunden damals ein Essen zubereiten. Meine Kochkünste waren noch sehr beschränkt. Außer Käsekuchen und Kässpätzle konnte ich nur noch mit der dritten schwäbische Spezialität aufwarten: "Linsen mit Spätzle". Für die Zubereitung fehlte mir in den Staaten nahezu alles, vor allem Gerätschaften zur Herstellung der Spätzle.

Nach einem ersten Versuch, die Dinger vom Brett zu hobeln, gab ich es auf. In der Not schlug meine Frau vor, anstelle dessen Semmelknödeln zu machen. Österreichische, handgemachte Semmelknödeln. So gab es in den Staaten für unsere irischen Freunde schwäbische Linsen mit österreichischen Semmelknödeln. Mir schmeckte das ausgezeichnet, doch den amerikanischen Iren überhaupt nicht. Sie stocherten in ihren Tellern und konnten allen voran den schwäbischen Linsen nichts abgewinnen. Was mir zu denken gab.

Apropos denken. Durch diesen Gedankengang hatte ich den Anschluss an meine Gruppe beim Tübinger Stadtlauf verloren. Doch nicht nur das: Ich fiel von der dritten in die fünfte Spitzengruppe zurück. Alle Triathleten der Stadt hatten mich in der dritten Runde überholt. Ich riss mich fort von den schwäbischen Linsen und warum das Essen damals gescheitert war und konzentrierte mich in der letzten Runde durch die Altstadt wieder auf das Rennen. Langsam pirschte ich mich an die Triathleten heran. Nur noch wenige Meter fehlten mir zu den Von-allem-etwas-Könnern und ich hätte sie alle überholt. Alle! Die Zuschauer kreischten und schrien, gut gemeint zur Unterstützung, doch gleichzeitig waren die anderen gewarnt. Locker zogen sie den Schlussspurt an und weg waren sie.

Am nächsten Tag kam die Meldung im Radio, dass "Linsen mit Spätzle" gar nicht schwäbisch ist. Seit vielen Jahren ist nämlich die schwäbische Linse ausgestorben. Es kommen demnach allerlei Linsen auf den Tisch, nur keine schwäbischen. Wahrscheinlich habe ich damals bei meinen amerikanischen Iren Linsen aus Mexiko erwischt. Deshalb bin ich mit dem Traditionsessen gescheitert. Mit schwäbischen Linsen wäre mir das ganz sicher nicht passiert.

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