Kolumne Nebensachen aus Rom: So viel Sicherheit war nie

Silvio Berlusconis Sicherheitsoffensive führt in Italien zu den komischsten Auswüchsen. Von "Monstern", Fallschirmjägern und Bürgerwehren auf den Straßen.

Meine Tochter schaut verdattert, als wir abends auf einen noch offenen Eingang der Villa Ada - eines der großen Stadtparks von Rom - zusteuern. Es ist schon fast dunkel, doch neben einem großen Busch ist eine Silhouette zu erkennen. "Ein Monster?", fragt sie, denn der Kerl steht da reglos im Tarnanzug, hält ein langes Sturmgewehr in der Rechten.

Nein, kein Monster, beruhige ich sie, bloß ein Teil von Silvio Berlusconis Sicherheitsoffensive. Tausende Soldaten in den Großstädten machen seit einem Jahr Kindern Angst, damit die Erwachsenen sich sagen können, er tue was gegen die Kriminalität. Wenn es um die Jagd auf Verbrecher geht, dürfen martialisch ausstaffierte Fallschirmjäger ran, aber auch einfache Bürger.

Seit ein paar Monaten sind jetzt auch die ronde ganz legal: Bürgerwehren, die im Stadtviertel die Runde drehen, um gesetzlosem Gesocks das Leben schwer zu machen. Die Polizei kann sich nicht um alles kümmern - vor allem deshalb nicht, weil die Regierung Berlusconi ihr im letzten Etat die Mittel zusammengestrichen hat.

In der Dreimillionenstadt Rom rücken nachts nur noch zehn Streifenwagen aus. Sie sollen ein Gebiet etwa so groß wie Berlin kontrollieren - und können das natürlich nicht.

Jetzt darf jeder legal Abhilfe schaffen - mit Do-it-yourself-Sicherheit. Schade, dass das Angebot so zögerlich angenommen wird. "Fast bei null" lägen die Anträge auf Registrierung, bilanzieren die Behörden. Im norditalienischen Massa Carrara machte im Sommer eine Truppe mit dem schönen Namen SSS Schlagzeilen; der faschistische Verein geriet "auf Streife" mit Linken von der Proletarischen Bürgerwehr aneinander. Dutzende Polizisten griffen ein.

Gemäßigter geben sich die "Grünhemden" von der Lega Nord, die alle paar Nächte in Turin losziehen. Ein TV-Team begleitete einen Einsatz: Bierbäuchige Mittfünfziger machen ihren Abendspaziergang, begleitet von einem Polizeiaufgebot. Einer der Beamten meint: "Wenn was passiert, kriegen die sofort eins aufs Maul, wir können die nicht allein losziehen lassen."

Die Tatsache, dass sich da rechte Parteipatrouillen formieren, macht Linken, Punks, Ausländern große Sorge. Auch sie freuen sich jetzt vielleicht, die Polizisten zu sehen, wenn die die Bürgerwehren eskortieren. Am meisten freuen sich die braven Bürger. Da werden sie bewacht von wehrhaften Zivilisten, und die werden bewacht von Polizisten - so viel Sicherheit war nie.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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