Zukunft der SPD: "Wir müssen moderner sein"

Garrelt Duin, Landesvorsitzender der SPD Niedersachsen, im taz-Interview über die neue Parteiführung der SPD und wie er Wähler anderer Parteien ansprechen will

Will die von Abstiegsängsten gequälte Klientel auffangen: Der große Garrelt Duin. Bild: dpa

taz: Herr Duin, der Landesvorstand hat sich gestern Abend hinter die von Ihnen im Bundesvorstand mit eingefädelte Kandidatur Sigmar Gabriels als Parteivorsitzender gestellt. Was bedeutet das für den Richtungsstreit in der SPD?

Garrelt Duin: Ich halte Sigmar Gabriel für einen sehr geeigneten Vorsitzenden. Aber es wäre ein Fehler, die Verantwortung wieder nur Einzelnen aufzuladen. Der neuen Parteiführung kann es nur gemeinsam gelingen, die SPD-Flügel zusammenzuhalten.

Sie haben gesagt, der neue SPD-Chef müsse das "Führen und Sammeln" beherrschen. Als großer Integrator ist Gabriel bisher nicht aufgefallen.

Seit 2005 ist er Chef der Niedersachsen SPD mit Sitz im Bundestag und gehört zum konservativen Seeheimer Kreis.

Führen hat er mit der Muttermilch aufgesogen. Er kann die Marschroute festlegen, hat ein Gespür für die richtigen Themen. Einfordern muss man von ihm, dass die ganze Partei mitgenommen wird. Aber das hat Gabriel gelernt. Spätestens im letzten Landtagswahlkampf 2003.

Sie haben gesagt, die Wählerschaft der Linken sei so fest gefügt, um die müsste sich die SPD nicht kümmern. Ihre Klientel seien "anständige Leute", Menschen die Arbeit haben, die "nicht kriminell sind".

Es geht mir nicht darum, die Wähler anderer Parteien zu diskreditieren. Aber es ist doch so: Wenn ich in einen Sportverein gucke, wer hat da ein Amt? Menschen, die einer geregelten Arbeit nachgehen, die jeden Tag ihr Bestes geben, um ihr kleines Glück zu gestalten, das meine ich mit anständig. Sehr bürgerliche Menschen, wenn sie so wollen. Die haben eine Erwartung an die SPD und wurden enttäuscht. Da müssen wir wieder ansetzen.

Aber genau diese von Abstiegsängsten gequälte Klientel soll besser die Linke wählen, hat jedenfalls die Gewerkschaft in Salzgitter gesagt.

Denen müssen wir sagen, wir fangen dich auf. Vor allem müssen wir dafür sorgen, dass sie den Abstieg nicht zu fürchten brauchen und ihnen sozialen Aufstieg ermöglichen. Bei denen, die eine verhärtete Abneigung gegen uns haben, sage ich, um die können wir uns nicht kümmern, das kostet zu viel Energie ohne Aussicht auf Erfolg.

Folglich haben Sie nach der Wahl analysiert, der Anlass für das Wahldebakel war die Rente mit 67 und die Mehrwertsteuer. Hartz IV kam gar nicht vor.

Die letzten drei Jahre hat mir der Emder Werftarbeiter gesagt: Duin, ich kann einfach nicht bis 67 arbeiten, also wähle ich dich nicht. Jetzt steht die Werft vor der Schließung und er steht vor dem Nichts. Klar, gehört Hartz IV zu den Punkten, an denen wir kaputt gegangen sind.

Gleichzeitig wollen Sie Wähler aus dem solventen Großstadtmilieu zurückgewinnen. Ist das nicht haargenau die alte Schröder-Nummer mit der "Neuen Mitte".

Der Begriff der "Neuen Mitte" stammt aus den 1970er Jahren von Willy Brandt. Er meinte damit Milieus, zu denen die SPD damals keinen Zugang hatte, zum Beispiel die Sympathisanten der Grünen. Übersetzt ins Heute, müssen wir wieder lernen, moderner zu sein. Also zu versuchen, die Wähler der Piratenpartei anzusprechen oder Menschen, die schwarzgrün attraktiv finden. Zählt man zusammen, was sie da alles anzieht, ist das Sozialdemokratie pur.

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