So könnte Schwarz-Gelb vorgehen: Der Ausstieg aus dem Atomausstieg

Union und FDP haben vor der Wahl angekündigt, die Laufzeiten der Atomreaktoren zu verlängern. Zehn Fragen und Antworten zu den schwarz-gelben Atomplänen.

Vor dem Revival? "Atomkraft? Nein Danke"-Fahne bei Demo in Berlin. Bild: dpa

1. Was will die künftige Bundesregierung in der Atompolitik?

CDU/CSU und FDP haben schon vor der Wahl angekündigt, die Laufzeiten der deutschen Atomreaktoren zu verlängern. An Neubauten denken sie jedoch nicht. Unklar ist bislang der Weg zum Ausstieg aus dem Ausstieg.

2. Wie ist die gesetzliche Lage?

Mit dem "Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität" hat die rot-grüne Bundesregierung die Laufzeiten der Atomkraftwerke begrenzt und den Neubau verboten. Allerdings ist die Begrenzung keine zeitliche; vielmehr ist die Strommenge festgelegt, die jeder Meiler erzeugen darf. Dabei wurden jeweils die Produktionsmengen von 32 Jahren zugrunde gelegt.

Da das jüngste AKW 1989 ans Netz ging, müssten rechnerisch im Jahre 2021 alle Atomkraftwerke abgeschaltet sein. In der neuen Legislaturperiode werden bis zu sieben Meiler ihr zugeteiltes Stromkontingent ausschöpfen. Mit Stand von diesem Dienstag hat Neckarwestheim bei Volllastbetrieb noch 152 Tage Restlaufzeit, Biblis A noch 207 Tage.

3. Was passiert, wenn ein Kraftwerk sein Stromkontingent aufgebraucht hat, bevor das Atomgesetz geändert wird?

Das wird nicht passieren. Die Betreiber werden ihre Anlagen vorher herunterfahren. Mit dieser Taktik wurden mehrere Meiler über die Wahl gerettet.

4. Ausstieg aus dem Atomausstieg - wie geht das formal?

Theoretisch könnte die Regierung den § 7 des Atomgesetzes streichen. Die vom Bund festgelegte Befristung der Laufzeiten fiele dann weg. Fortan wären allein die Länder für die AKW-Betriebsgenehmigungen zuständig, weshalb das Vorhaben auch durch den Bundesrat müsste. Eine Hürde wäre das nicht: Auch in der Länderkammer besteht derzeit eine schwarz-gelbe Mehrheit. Eine Alternative wäre eine Verlängerung der Laufzeiten.

5. Lassen sich die Laufzeiten durch eine einfache Änderung des Gesetzes verlängern?

Ja. Doch der Widerstand aus der Energiebranche wäre unberechenbar. Viele Investoren in Erneuerbare Energien, aber auch in herkömmliche Kraftwerke wären davon betroffen. Nicht umsonst wurde der Atomausstieg im Konsens mit der Energiewirtschaft beschlossen. Auch die neue Regierung dürfte die Laufzeiten nur im Konsens mit allen Beteiligten verlängern.

6. Inzwischen kommen auch aus CDU/CSU und FDP schon kritische Stimmen, die eine pauschale Verlängerung der Laufzeiten ablehnen - warum?

Die Regierung will den Verdacht vermeiden, den Profit der Atomkonzerne vor die Sicherheit der Bürger zu stellen. Daher gilt es als wahrscheinlich, dass bei einer Verlängerung der Laufzeiten zumindest ein Bauernopfer erbracht würde. Das könnte wegen der vielen Störfälle der Reaktor Krümmel sein. Schließlich weiß auch die künftige Bundesregierung, dass, wie jüngst eine Umfrage des ZDF-Politbarometers ergab, 57 Prozent aller Bürger und gut 40 Prozent der Schwarz-Gelb-Anhänger verlängerte Laufzeiten ablehnen.

7. Lässt sich beim Atomausstieg auch tricksen?

Man kann auch Schlupflöcher nutzen. Wird ein Meiler endgültig abgeschaltet, können die verbliebenen Stromkontingente auf andere Meiler übertragen werden. Dazu wäre keine Änderung des Atomgesetzes erforderlich, nicht einmal eine Ministererlaubnis. Besonders im Fall Krümmel wäre das interessant: Der Meiler hat noch rund 88 Milliarden Kilowattstunden auf dem Konto und könnte die Meiler Biblis A, Biblis B und Neckarwestheim 1, die zuletzt jeweils 6 bis 8 Milliarden Kilowattstunden jährlich erzeugten und kurz vor ihrem Ende stehen, über die nächste Bundestagswahl retten.

8. Was machen die Konzerne mit den Gewinnen?

Experten schätzen, dass jeder Tag, den ein abgeschriebenes Atomkraftwerk länger läuft, den Energiekonzernen 1 Million Euro an Zusatzeinnahmen bringt. Dürften die alten Meiler bei gleichbleibenden Strompreisen zehn Jahre länger laufen, würde Eon 8,3 Milliarden Euro zusätzlich verdienen, RWE 6,1 Milliarden und EnBW 3,8 Milliarden. Obendrein würde auch der Unternehmenswert steigen. Die Gewinne sollen aber nicht allein die Konzerne kassieren, sagen die Politiker. Sie wollen einen Modus finden, damit ein Teil der Zusatzeinnahmen den erneuerbaren Energien zugutekommt.

9. Wie kann garantiert werden, dass die Konzerne einen Teil ihrer Zusatzgewinne abgeben?

Denkbar wäre eine Brennstoffsteuer auf Uran, wie es sie etwa in Schweden gibt. Bei 140 Milliarden Kilowattstunden Atomstrom in Deutschland und einer Steuer von nur 1 Cent je Kilowattstunde wären es 1,4 Milliarden Euro jährlich. Problem: Das ist eine Idee der Grünen und der SPD, für Schwarz-Gelb ist sie somit tabu. Möglich wäre alternativ eine vertragliche Vereinbarung der Regierung mit den Konzernen, doch wie die in der Praxis funktionieren soll, ist völlig unklar. Das Thema wird also noch viele Diskussionen erfordern.

10. Wäre ein erneuter Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Atomausstieg möglich?

Ja. Vielleicht nach der nächsten Bundestagswahl.

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