++ BUCHMESSEN-SPLITTER ++: Ein Chinese spaziert über die Buchmesse

Die Europäer scheinen Indien sehr oft mit China zu vergleichen. Aber das Interesse an indischen Büchern scheint größer zu sein. Beneidenswert, wie hervorragend die ehemalige Kolonie Englisch beherrscht.

Keine Schulklassen an den ersten Tagen - das erklärt die fehlenden 353 Besucher. Bild: dpa

Donnerstag, 17.32 Uhr Ich bin ein großer Fan von Lonely Planet. Als ich auf der Messe die neuesten Reiseführer für Städte in den USA und Kanada entdecke, freue ich mich. Und ich freue mich noch mehr, mich mit einem Angestellten von Lonely Planet zu unterhalten. Er verrät mir, dass die Führer über Neuseeland, Nepal, Argentinien und Brasilien derzeit besonders beliebt sind. Das kann ich gut nachvollziehen. Diese Länder stehen auch bei mir ganz oben auf der Liste der Orte, die ich gerne mal besuchen möchte.

Donnerstag, 17.10 Uhr Ich unterhalte mich mit Kate Hau, einer jungen hübschen Verlegerin, und frage sie, was sie denn von der Frankfurter Buchmesse hält. Kate Hau erzählt mir, sie sei das erste Mal hier. Und mit Erfolg: Gestern habe sie bereits die Rechte an einem deutschen Buch erhalten. Sie habe gehört, dass die letzte Buchmesse noch viel größer gewesen sei. Mir reicht es. Ich finde, dass es bereits jetzt schon zu viele Bücher sind.

Donnerstag 16.42 Uhr Als wir vor dem Messestand des Hachette-Verlags stehen, zeigt meine Übersetzerin Viviane auf ein Poster der "Twilight Saga" von Stephanie Meyers. Sie erzählt mir, dass es insgesamt vier Bände davon gibt und vor allem viele junge Frauen die Bücher sehr gerne lesen. Vielleicht bin ich zu alt, oder eben keine Frau. Aber romantische Romane interessieren mich nicht. Auch romantische Filme können in mir keine Begeisterung wecken. Ich mag am liebsten die Atmosphäre in US-amerikanischen Western: kalt, hart, trostlos.

ZHOU WENHAN, geb. 1978, ist freier Autor und lebt in Peking. Er schreibt für Chinas bekannteste Wochenzeitung Southern Weekend (Nanfang Zhoumo) sowie für Kunst- und Reisemagazine. Bis 2008 war er als Kulturjournalist bei der Neuen Pekinger Zeitung tätig. Er ist zum ersten Mal in Deutschland.

Donnerstag 16.12 Uhr Ich stehe vor den gemeinsamen Ständen der Verlagshäuser von Cambridge und Oxford. Vor den etwa zehn kleinen Tische stehen Dutzende von Verlegern, die ganz offensichtlich regen Handel betreiben. Ich gehe mal davon aus, dass ihr Geschäft blendend läuft.

Rund 1,3 Milliarden Menschen sprechen Chinesisch - zum allergrößten Teil jedoch nur in China selbst. Englisch hingegen ist zwar von viel weniger Menschen die Muttersprache, wird dafür aber in viel mehr Ländern gesprochen. Allein, wenn ich daran denke, wie viele Millionen von Schülerinnen und Schüler in China noch ganz heiß darauf sind, Englisch zu lernen - den Oxford- und Cambridge-Verlagen dürfte es sicherlich noch sehr lange sehr gut gehen.

Donnerstag 15 Uhr Auf meinem Gang über die Buchmesse erzählt mir Abhishek Jain, ein Angestellter des Verlags "New Age Books" aus Dehli, dass das Interesse an Büchern vor allem über indische Kultur und Geschichte in den vergangenen zehn Jahren weltweit enorm zugenommen hat. Zahlreiche US-amerikanische und europäische Verlage hätten sich bereits die Rechte an indischen Büchern gesichert. Das hat mich sehr beeindruckt.

Die Europäer scheinen Indien sehr oft mit China zu vergleichen. Zwar können die indischen Verlage zumindest auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse allerdings nicht mit den Chinesen mithalten. Klar, wir Chinesen sind ja auch die Ehrengäste. Aber die Inder haben einen gravierenden Vorteil: Als ehemalige Kolonie der Engländer gibt es sehr viele Inder, die Englisch hervorragend beherrschen. Und so ist es auch kein Wunder, dass die indischen Verlage auch zahlreiche Bücher auf Englisch herausbringen. Um diesen Vorteil beneide ich unsere Nachbarn.

Donnerstag 13 Uhr Heute Nachmittag um 14 Uhr sollte die Diskussionsveranstaltung mit der aktuellen Literaturnobelpreisträgerin Hertha Müller beginnen. Ich war bereits vorher am Ort des Geschehens. Rund 200 Zuhörer hatten sich bereits versammelt. Es ging dort hoch her. Ich entschloss mich daraufhin zum Rückzug und sah mir lieber aus sicherer Entfernung an, wie die Massen sich um eine einzige Person scharten.

Wenn Hertha Müller vergangene Woche nicht den Nobelpreis gewonnen hätte - würden dann auch so viele Menschen kommen? Ich bezweifle das.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.