Versprochene Steuersenkungen der Koalition: Einmütig in die Schuldenfalle

Kanzlerin Merkel rechtfertigt die Schuldenpolitik der Koalition. Gleichzeitig wächst bei CDU und Bundesländern die Kritik. Nur CSU-Chef Seehofer hält an den Plänen fest.

Obwohl immer mehr Politiker von festen Zeitplänen für Steuersenkungen Abstand nehmen, kämpft Seehofer weiter lautstark dafür. Bild: reuters

Nach der FDP haben am Montag auch die Unionsparteien den schwarz-gelben Koalitionsvertrag gebilligt. Im Gegensatz zum Jubelparteitag der Liberalen vom Vortag stimmte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor dem Bundesausschuss ihrer Partei deutlich verhaltenere Töne an.

Angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise stehe die neue Koalition vor einer Legislaturperiode, "die von uns eine unglaubliche Ernsthaftigkeit verlangt", sagte Merkel. Nach der verschämten Debatte um einen Schattenhaushalt bekannte sie sich nun offensiv zu einer Politik der hohen Staatsverschuldung. "Bei Sparen, Sparen, Sparen sehe ich keine Chance, dass wir es schaffen können", sagte sie.

Mehrere Redner kritisierten die von der FDP durchgesetzten Programmpunkte im Koalitionsvertrag. Sie sei "enttäuscht" über die geplanten Steuersenkungen, sagte DGB-Vize Ingrid Sehrbrock. IG-Metall-Vorstand Regina Görner sagte, die FDP habe "aus der Krise nichts gelernt". Einzig der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, erklärte: "Steuersenkungen sind keine Konzession an die FDP, das ist Bestandteil unseres Wahlprogramms."

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) sagte, bei den Staatsfinanzen sehe er "in erheblichem Umfang Diskussionsbedarf". Unter den Vorgaben der Schuldenbremse sei das Ziel der Bildungsrepublik mit den geplanten Steuersenkungen schwer zu vereinbaren. Die Koalitionsvereinbarung sehe "weniger Einnahmen und mehr Ausgaben" vor. Es gehe darum, die Belastungen solidarisch unter den Bundesländern zu verteilen

Währenddessen gibt es in den Ländern Unruhe um die geplanten Entlastungen. Die Bremer Finanzsenatorin Karoline Linnert hat ausgerechnet, dass rund 60 Prozent der Steuersenkungen von den Ländern getragen werden müssen - insgesamt über 16 Milliarden Euro. "Dies kann nur durch Ausgabenkürzungen in der Bildungspolitik wieder reingeholt werden", sagte die Grünen-Politikerin der taz, "es ist ein Geschäft auf Kosten Dritter."

Zuvor hatte sich der Berliner Finanzsenator Ulrich Nußbaum ähnlich geäußert. Nußbaum drohte wegen der Folgen für die Länderhaushalte gar mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Dem würde sich die Bremerin Linnert offenbar als "Ultima Ratio" anschließen. Vorab wolle der Bremer Senat jedoch "alles tun, damit es im Bundesrat für diesen Wahnsinn keine Mehrheit gibt".

Auch in Rheinland-Pfalz sieht der SPD-Finanzminister Carsten Kühl vor allem die Qualität der Bildung in Gefahr: "Was Schwarz-Gelb vorhat, macht den Ländern die Haushalte auf Jahre hinaus kaputt." Die Haushaltslöcher gegebenenfalls über größere Klassen und ausgedünnte Hochschulen konsolidieren zu müssen, sei absurd. "Wer vorgibt, bessere Bildung zu wollen, darf die Länderhaushalte nicht plündern", sagte Kühl. Allein Rheinland-Pfalz habe zusammen mit den Kommunen im Land Mehrbelastungen von rund 1,2 Milliarden Euro jährlich zu tragen, wenn die Pläne durchkämen. Dies rechnete der Finanzminister des Bundeslandes vor.

Auch in den Unions-geführten Ländern entsteht mittlerweile Unruhe - wenngleich man sich aus Parteiräson zurückhaltend äußert. Die Steuerbeschlüsse "stellen die Länder vor eine Riesenherausforderung", sagte der Nordrhein-Westfälische Finanzminister Helmut Linssen.

Bereits vergangene Woche hatte sein hessischer Kollege Karlheinz Weimar die Pläne der neuen Bundesregierung offen kritisiert. Was in den Koalitionsverhandlungen auf den Tisch gekommen sei, "ist überhaupt nicht zu finanzieren", sagte der CDU-Politiker. Auch der kommende Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte am Sonntag in der ARD eingeräumt, "auf Sicht zu fahren", und keine klare Aussage zu den geplanten Steuersenkungen gemacht.

Davon unberührt ging am Montag der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer an die Öffentlichkeit. "Das sind Vereinbarungen. Und die Kommen", sagte Seehofer mit Blick auf den Unionskollegen. Mit den Entlastungen 2010 sei es nicht getan, "der Rest kommt 2011", sagte Seehofer in München. Vor den Folgen auf die Länderhaushalte wird sich auch Seehofer nicht drücken können. Er ist schließlich auch bayerischer Ministerpräsident.

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