Abo-Zeitungshaus SWMH: Klamme graue Herren

Die Südwestdeutsche Medienholding soll Steuern hinterzogen haben - und ist in Geldnot.

Hier sollen über Jahre systematisch Finanzbehörden hintergangen worden sein: Pressehaus in Stuttgart. Bild: dpa

Es wäre schon so hoch genug her gegangen in Stuttgart: Dort haderte gestern die Gesellschafterversammlung der Gruppe Württembergischer Verleger (GWV) über nötige millionenschwere Kapitalerhöhungen bei Deutschlands größtem Abo-Zeitungshaus, der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH). Dem verschwiegenen Medienkonzern (u.a. Süddeutsche, Stuttgarter Zeitung, Rheinpfalz, Freie Presse, Südwestpresse) brechen wegen der Werbekrise die Einnahmen weg. Rund 90 Millionen sollen allein die in der GWV organisierten knapp 20 zumeist kleineren bis mittleren Verleger aufbringen, denen knapp 45 Prozent an der SWMH gehören - weitere 45 Prozent hält die Medien-Union aus Ludwigshafen.

Doch nun steht der Laden vollends Kopf: Ein vor Kurzem geschasster ehemaliger SWMH-Abteilungsleiter hat sich selbst angezeigt, weil die SWMH über Jahre systematisch Finanzamt und Sozialversicherung beschissen haben soll. Wie jeder Verlag hatte auch die SWMH in ihrer Stuttgarter Druckerei in den vergangenen Jahren heftig rationalisiert - sprich Personal abgebaut. Trotzdem leisteten die verbliebenen MitarbeiterInnen immer mehr.

Wie der SWR berichtet, wurden diese Sonderschichten und Überstunden aber nicht normal abgerechnet, sondern den rund 1.000 Beschäftigten als weitgehend steuer- und abgabenfreie Sonntagszuschläge ausgezahlt. Schon 2002 habe der Betriebsrat dies als "Urkundenfälschung" kritisiert, die offenbar über Jahre laufenden Manipulationen seien ein offenes Geheimnis gewesen, von dem jedeR außer dem Fiskus profitiert habe, berichtet der Sender. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. SWMH-Geschäftsführer Richard Rebmann, der seine Posten erst seit 2008 bekleidet, bestätigte die Unregelmäßigkeiten, die dank der internen Revision ans Licht gekommen seien und gelobte Kooperation mit den Behörden.

Nun drohen dem Konzern also auch noch Steuerforderungen und Nachzahlungen in Millionenhöhe. Das bedeutet zusätzlichen Druck auf die SWMH-Titel, allen voran auf die Süddeutsche Zeitung (SZ), die schon vergangene Woche erste betriebsbedingte Kündigungen angekündigt hat (taz vom 20. + 29.10.). 30 der rund 600 Arbeitsplätze im Verlag sollen nach eigenen Angaben wegfallen, in der Redaktion wird mit mindestens der gleichen Zahl gerechnet.

Kommende Woche soll bei der SZ, die nach eigenen Angaben rote Zahlen schreibt, ein neues Konzept für die Lokal- und Regionalberichterstattung fertig werden. Entwickelt aus der Redaktion, aber mit klaren Ziel "künftig mit weniger Leuten mehr zu machen", wie es in München heißt. Auch wenn offenbar zunächst die Regionalbüros der SZ im Großraum München/Oberbayern bluten müssen, sind Kündigungen im Haupthaus nicht ausgeschlossen.

Auch bei der Stuttgarter Zeitung, dem zweiten Flaggschiff der SWMH, und den Stuttgarter Nachrichten, steht weiter massiver Arbeitsplatzabbau an: Den RedakteurInnen der gemeinsmane Sonntagszeitung Sonntag Aktuell wurde bereits zum Jahresende gekündigt. Das Blatt soll jetzt von neuen Newsdesk der Stuttgarter Nachrichten mitgemacht werden. Nach taz-Informationen spart aber auch dieses neue Konzept nicht so viel wie erwartet. Daher hat der Verlag verhältnismäßig großzügige Abfindungen für all die angeboten, die sich bis zum 15.11 entscheiden, den Stuttgarter Zeitungsverlag freiwillig zu verlassen.

Aber ohne frisches Geld der Gesellschafter geht es nicht weiter - die geforderten Millionen dürften jedoch viele der baden-württembergischen Verleger überfordern. "Die Kleineren trifft das zur Unzeit", weil sie selbst unter Einnahme-Rückgängen leiden, sagt der Medienexperte Horst Röper.

Die Gesellschafterversammlung dauerte gestern bei Redaktionsschluss noch an.

STEFFEN GRIMBERG

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