Unruhen in chinesischer Provinz Xinjiang: Die ersten neun Hinrichtungen

Nach zweifelhaften Verfahren werden die ersten neun Hinrichtungen im Zusammenhang mit den Unruhen in Xinjiang vollstreckt. Wie viele Personen noch in Haft sind, ist unklar.

Angeklagte vor Gericht. "Nach Recht und Gesetz bestraft", sagt China. Bild: reuters

Vier Monate nach den schweren ethnischen Unruhen zwischen Uiguren und Han-Chinesen in der westchinesischen Grenzregion Xinjiang sind die ersten neun Todesurteile vollstreckt worden. "Kriminelle, die für die Toten des 5. Juli verantwortlich waren", seien "nach Recht und Gesetz" bestraft worden, sagte Regierungssprecher Qin Gang am Montag.

Tags zuvor hatten örtliche Behörden bekannt gegeben, dass die neun Männer "nacheinander exekutiert" worden seien. Der Oberste Gerichtshof habe die Urteile bestätigt. Der genaue Zeitpunkt und weitere Details wurden nicht bekannt.

Am 5. Juli hatte in Xinjiangs Hauptstadt Ürümqi ein uigurischer Mob auf Angehörige der han-chinesischen Volksgruppe losgeschlagen. Geschäfte und Autos wurden in Brand gesetzt. Bald darauf kam es zu Racheaktionen von Han-Chinesen gegen Uiguren. Insgesamt starben in jenen Tagen nach offiziellen Angaben 197 Menschen, davon 134 Han-Chinesen.

Die neun Hingerichteten gehören zur ersten Gruppe von 21 Personen, die Mitte Oktober wegen Mordes, Brandstiftung und anderer Verbrechen verurteilt worden waren. Den Namen nach gehörten sieben der Hingerichteten zur uigurischen Volksgruppe, die heute in Xinjiang rund 40 Prozent der Bevölkerung stellt. Die beiden anderen sind vermutlich Han-Chinesen.

Gegen weitere 20 Personen soll inzwischen Anklage erhoben worden sein. Bürgerrechtler im In- und Ausland fürchten, dass auch diese Verhandlungen nicht fair sein werden. Die letzten Todesurteile fielen innerhalb von wenigen Stunden. Die Angeklagten hatten nicht das Recht, sich eigene Verteidiger zu wählen. Chinesische Anwälte, die sich auf politisch heikle Fälle spezialisieren, waren zuvor von den Behörden gewarnt worden, sich in die Prozesse einzumischen.

Die Ereignisse in Ürümqi warfen ein Schlaglicht auf die unstabile Lage in Chinas Grenzregionen: Über ein Jahr zuvor, im März 2008, hatten Tibeter in Lhasa ebenfalls Zuwanderer aus anderen Teilen des Landes angegriffen. Dabei kamen zwanzig Menschen ums Leben.

Trotz großer kultureller und historischer Unterschiede zwischen den buddhistischen Tibetern und muslimischen Uiguren haben beide Regionen eines gemeinsam: Viele Bewohner fühlen sich wirtschaftlich und sozial benachteiligt. Sie werfen den zugewanderten Han-Chinesen vor, ihnen nicht nur Geschäfte und Arbeitsplätze wegzunehmen, sondern sie auch ihrer kulturellen Identität zu berauben.

Die Zentralregierung und ihre örtlichen Funktionäre versuchen derweil, in Ürümqi wieder Ruhe und Ordnung herzustellen. Zahlreiche Einheiten der Bewaffneten Polizei - eine Untereinheit der Armee - sind in der Region stationiert worden. Noch immer ist das Internet in Xinjiang für die Bevölkerung weitgehend blockiert. Einige Firmen haben ihre Büros in Nachbarprovinzen verlegt.

Nach dem Motto "Hart zuschlagen und bestrafen" sollen die Sicherheitskräfte "die Früchte der Bewahrung von Stabilität konsolidieren und Sicherheitsgefahren beseitigen", kündigte die Volkszeitung Anfang November an. Man konzentriere die Suche auf Teilnehmer der Unruhen und auf Personen, die Terrorakte vorbereiteten.

Solche, auch offiziell "Hart zuschlagen" genannten Kampagnen haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass Verdächtige besonders schnell abgeurteilt werden, oftmals häufig in Massenprozessen. Mit derartigen Kampagnen sollen aber auch Kritiker in der Bevölkerung besänftigt werden, die der Regierung vorwerfen, sie nicht genug zu beschützen.

Im August waren in Ürümqi tausende Menschen - überwiegend Han-Chinesen - auf die Straße gegangen, weil die Behörden ihrer Ansicht nach zu lange brauchten, um die Schuldigen der Unruhen zu bestrafen. Die Bevölkerung forderte, den Parteichef der Region, Wang Lequan, abzusetzen. Doch der ist nach wie vor im Amt; gehen mussten nur der Polizeichef Xinjiangs und der Parteichef von Ürümqi.

Wie viele Verdächtige noch in Haft sind, ist umstritten, die offizielle Angaben sind widersprüchlich. Gegen "hunderte" Verdächtige werde ermittelt, heißt es. Uiguren sind aber davon überzeugt, dass die Zahl der Festgenommenen weitaus größer ist als angegeben. Über ein besonders dunkles Kapital berichtete jüngst die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch: Danach sind mindestens 43 festgenommene Männer spurlos verschwunden.

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