Neue Politposse in Italien: "Kurzer Prozess" für Berlusconi

Mit einer neuen Justizreform soll Italiens Ministerpräsident vor juristischen Nachstellungen gefeit werden. Freuen könne sich jetzt aber auch unzählige Kriminelle im Lande.

Aufgefallen ist Berlusconi und den Seinen die Unzumutbarkeit der Verfahrensdauern in Italien erst, nachdem das Verfassungsgericht das Immunitätsgesetz gekippt hatte. Bild: dpa

Mit einem "kurzen Prozess" gegen Silvio Berlusconi will Italiens Parlamentsmehrheit einen endgültigen Schlussstrich unter die Probleme ihres Ministerpräsidenten mit der Justiz ziehen. Berlusconi soll endlich nichts mehr zu befürchten haben: Das neueste Reformvorhaben ist darauf angelegt, die zwei gegen ihn anhängigen Prozesse so radikal zu verkürzen, dass sie umgehend eingestellt werden müssen.

In Zukunft nämlich soll Italiens Justiz in jeder der drei Instanzen eines Strafprozesses nur noch zwei Jahre Zeit bis zum Spruch eines Urteils haben. Das sei im Interesse aller Bürger, argumentiert die Koalition der Rechtsparteien. Und sie weist darauf hin, dass sich heute in Italien Verfahren gut und gerne über zehn Jahre hinziehen und Italien deshalb wegen der unzumutbar langen Prozessdauer immer wieder vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Entschädigungszahlungen verurteilt wird.

Aufgefallen ist Berlusconi und den Seinen die Unzumutbarkeit dieser Situation aber erst jetzt - nachdem das Verfassungsgericht vor einem Monat das Immunitätsgesetz zugunsten des italienischen Premiers gekippt hatte. Gleich zwei Prozesse werden jetzt wieder anlaufen. Für nächsten Montag ist die Verhandlung in dem Verfahren über den Ankauf von TV-Rechten aus den USA anberaumt; durch überhöhte Scheinrechnungen soll Berlusconis Mediaset Millionensummen auf Schwarzkonten im Ausland verschoben und so Steuern hinterzogen haben. Und am 27. November soll der Prozess wiederaufgenommen werden, in dem Berlusconi der Bestechung eines Rechtsanwalts beschuldigt ist. Er soll den britischen Anwalt David Mills geschmiert haben, damit der sein Wissen über Berlusconis Imperium ausländischer Schwarzfirmen gegenüber der Justiz verschwieg.

Berlusconis Anwalt Nicolò Ghedini - der ihn regelmäßig vor Gericht verteidigt, aber auch als Parlamentsabgeordneter all die Justizreförmchen ausarbeitet, die seinen Chef vor dem Zugriff der Staatsanwälte schützen sollen - hatte im ersten Schritt jetzt eigentlich eine weitere Verkürzung der Verjährungsfristen angestrebt, um so beiden Prozessen unmittelbar den Garaus zu machen. Dagegen aber hatte der Präsident des Abgeordnetenhauses Gianfranco Fini sein Veto eingelegt. Fini, früherer Chef der postfaschistischen Alleanza Nazionale, ist hinter Berlusconi die Nummer zwei in rechten Sammelpartei "Volk der Freiheit", die erst im vergangenen Jahr aus der Taufe gehoben worden ist.

Dank Finis Veto muss Berlusconi sich jetzt mit der Norm zu den "kurzen Prozessen" begnügen. Für ihn heißt das praktisch, dass bei einer Annahme des Gesetzes der Prozess rund um den Ankauf der TV-Rechte sofort eingestellt werden muss, während für das Verfahren wegen Bestechung im März 2010 die Endstation erreicht wäre.

Dass zugleich hunderttausende Kriminelle zusammen mit Berlusconi die Sektkorken knallen lassen können, stört Italiens Rechtskoalition nicht weiter. Nicht für Mafiaverbrechen, nicht für Vorbestrafte, nicht für Verbrechen, auf die Strafen von mehr als zehn Jahre Haft stehen, soll die neue Regelung gelten, heißt es entschuldigend aus der Koalition. Doch kommt das Gesetz einer breit angelegten Amnestie gleich, verabschiedet von einer Koalition, die den "Kampf gegen das Verbrechen" zur obersten Priorität erhoben hatte.

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