EU-Kandidatenkarussell: Geschacher um die neuen Posten

Die Aufteilung steht fest. Die Konservativen stellen den Präsidenten der EU, die Sozis den Außenminister. Doch richtig glücklich über die derzeit gehandelten Personen ist niemand.

Großbritanniens Außenminister David Miliband: Viele würden ihn gerne auf dem EU-Außenministerposten sehen, aber er mag sich nicht von der nationalen Bühne verabschieden. Bild: rtr

Einen Plan B, so versicherten Eingeweihte während der gesamten Zitterpartie um den Lissabon-Vertrag, gebe es nicht. Inzwischen wissen wir: Es gibt auch keinen Plan A. Denn eigentlich hätte, kaum dass Tschechiens Staatspräsident am 3. November seinen Schnörkel unters Dokument gesetzt hat, die Kandidatenkür beginnen sollen. Zwar kann der Vertrag am 1. Dezember endlich in Kraft treten. Doch die neue Mannschaft, die endlich wieder politische Projekte in Europa vorantreiben könnte, steht noch lange nicht.

Der Sondergipfel, auf dem die beiden neuen Posten des Außenministers und des Ratspräsidenten besetzt werden, findet diese Woche nicht mehr statt. Bis zu einem Abendessen am 19. November hofft Schwedens amtierender Ratspräsident Fredrik Reinfeldt die übrigen Regierungen so weit weichgeklopft zu haben, dass in der Nacht zum 20. weißer Rauch aus dem Ratsgebäude in Brüssel steigen kann. Dann ist hoffentlich jemand benannt, der vier Mal im Jahr bei den Gipfeln in Brüssel die Fäden in der Hand hat. Auch über den wichtigeren neuen Job, den des Hohen Beauftragten für Außen- und Sicherheitspolitik (also des Außenministers), wird es eine Vorentscheidung geben. Doch das letzte Wort bei dieser Personalie hat das Europaparlament.

Der neue Außenminister wird nämlich gleichzeitig dem Rat der Regierungen und der EU-Kommission angehören. Das bedeutet, dass er wie alle anderen neuen Kommissare ein Anhörungsverfahren vor dem Europaparlament durchlaufen muss. Frühestens zum 1. Februar wird er seine Arbeit aufnehmen können.

Erst jetzt wird klar, wie gut Kommissionspräsident Manuel Barroso beraten war, sich seine Wiederwahl schon vorab von den Staats- und Regierungschefs garantieren zu lassen. Denn jetzt könnte sein Posten leicht in die Verhandlungsmasse zwischen Sozialisten und Konservativen geraten. Da Barroso den Konservativen zugerechnet wird, erheben die Sozialisten Anspruch auf den zweitwichtigsten Posten des Außenministers. Die Rechten sollen wiederum den Vorsitzenden des Europäischen Rates stellen dürfen.

Doch die Kandidatenkür wird für die Sozialisten zur peinlichen Prozedur. Ihr Dilemma liegt darin, dass es kaum noch linke Regierungen in Europa gibt, die einen der ihren in die Kommission entsenden könnten. Großbritanniens Premier Gordon Brown würde zwar sehr gern Tony Blair schicken, doch der wäre allenfalls als Ratspräsident geeignet und gilt wegen seiner Begeisterung für den Irakkrieg und für die Politik von New Labour ohnehin nicht als richtiger Sozi. Der britische Außenminister David Miliband würde den Posten des Hohen Repräsentanten zwar fachlich ausfüllen, stammt aber leider ebenfalls aus der Labour Party. Außerdem scheint er nicht begeistert von der Idee, der nationalen Bühne für die Zeit von fünf Jahren den Rücken zu kehren.

"Man muss sich auch fragen, inwieweit ein Brite, der nach fünf Jahren in die nationale Politik zurück will, engagiert auf europäischer Ebene arbeiten kann", gibt der CDU-Politiker Elmar Brok zu bedenken. Er sei am Montag zu Gesprächen in London gewesen und "dort nicht klüger geworden". Die Konservativen hätten ja eine Menge gute Kandidaten für den Job, sagt Brok mit leicht boshaftem Vergnügen und wirft den schwedischen Außenminister Carl Bildt, den ehemaligen österreichischen Kanzler Wolfgang Schüssel und den ehemaligen französischen Außenminister Michel Barnier in die Debatte. Aber man könne den Sozialisten ihr Problem leider nicht abnehmen.

Das Problem ist: Respektable linke Kandidaten wie der Italiener Massimo DAlema oder der Franzose Pascal Lamy stammen aus Ländern, die derzeit konservativ regiert werden. Wie gering die Opferbereitschaft bei den Rechten ist, zeigt das deutsche Beispiel: Angela Merkel zog es vor, mit Günther Oettinger einen auf europäischer Ebene unbekannten Provinzpolitiker ihrer eigenen Partei in die Kommission zu schicken, statt den Sozialisten mit Frank-Walter Steinmeier aus der Patsche zu helfen und damit den wichtigsten Posten, den die EU derzeit zu vergeben hat, für Deutschland zu sichern.

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