Frauen, Männer und Autos: Autoverkauf mit Knutschmund

In Henningsdorf hat das erste nur von Frauen geführte Autohaus eröffnet. Firmenlogo ist ein Kussmund. Der Werbe-Gag zieht: "Sex sells" auch in der Autokrise.

Was will der Mann? Eine Frau als Verkäuferin Bild: Foto: AP

Mit soviel Presserummel hatte sie nicht gerechnet. Knapp zwei Monate ist Maria Erkners Frauen-Autohaus in Henningsdorf geöffnet und immer noch gibt sie Interviews. Ein Fernsehteam drehte zwischen ihren Seat-Modellen, ein Radioreporter berichtete live aus der Werkstatt, in der drei Mechatronikerinnen arbeiten, und auch die Tageszeitungen aus Berlin und dem Umland haben sich des Themas angenommen. Auto Bild widmete dem neuen Autohaus sogar eine Doppelseite.

Das erste von Frauen geführte Frauen-Autohaus "Señiorita Maria" zieht - bei Presse und Autokaufwilligen gleichermaßen. Frauen sind im Verkaufsraum jedoch keine zu sehen. Dabei sind sie eigentlich die propagierte Zielgruppe. "Frauen stehen beim Autokauf oft nur daneben, während sich ihr Mann mit dem Verkäufer unterhält. Das wollen wir ändern", sagt die Geschäftsführerin Maria Erkner und klagt außerdem darüber, dass es in der männerdominierten Branche kaum Frauen in Führungspositionen gebe.

Ein wenig auswendig gelernt klingen diese Sätze allerdings schon, und die 24-Jährige wirkt noch unsicher. Kein Wunder, sie hat gerade vor drei Monaten ihr BWL-Studium abgeschlossen und nun ist sie die Chefin von acht Frauen im Alter von 19 und 27 Jahren. Drei davon machen im Autohaus eine Ausbildung. Erkners Großvater ist Autohändler, ihr Vater auch - eines seiner Autohäuser ist direkt nebenan. Nach ihrem BWL-Studium wollte sie aber nicht einfach im Familienbetrieb mitarbeiten. "Dann wäre ich immer nur die Tochter gewesen", sagt sie.

Doch auch im eigenen Autohaus, das ausschließlich Seat-Modelle verkauft, hat sie es offensichtlich nicht ganz leicht sich durchzusetzen. Erkner sitzt in dem großen Ledersessel im Büro, doch die Interviewfragen, die ihr gelten, beantwortet immer Vater Sven Erkner, der hinter hier steht. Von ihm stammen auch Geschäftsidee und Startkapital. Die meisten der jungen Angestellten haben ebenfalls vorher für ihn gearbeitet. Er hat in der Hand, was über das Tagesgeschäft hinausgeht. "Sie übt ja noch", sagt er erklärend.

Das Frauen-Autohaus ist ein Marketing-Gag, der funktioniert. Elf Wagen haben die Verkäuferinnen in sieben Wochen verkauft, das ist nach dem Auslaufen der Abwrackprämie ein guter Schnitt. Fünf Wagen haben Frauen oder Ehepaare gekauft.

In der angeschlossenen Werkstatt ist Janine Schubert gerade fertig mit einer Autoreparatur. Sie stammt aus Henningsdorf, hat in Stuttgart ihre Ausbildung zur KfZ-Mechatronikerin gemacht und ist für den Job in die alte Heimat zurückgekehrt. "Die meisten sind begeistert, und wer Vorurteile hat, bringt sein Auto eh nicht her", sagt die 21-Jährige. "Ich habe kein Problem, wenn eine Frau mein Auto repariert", sagt ein Kunde, der seit über einer Stunde an einem der Verkaufstische sitzt. "Wussten Sie, das Frauen genauso gut Auto fahren können wie Männer?" schiebt er hinterher.

Die Geschäfte lassen sich also gut an, aber ein paar der Angestellten ärgern sich über die Berichterstattung einiger Zeitungen. "Einer hat geschrieben, ich würde hier mit den Waffen einer Frau verkaufen und immer flirten", beschwert sich die 19-jährige Auszubildende Charline Nixdof. Die Werbestrategie des Autohauses spricht allerdings auch genau diese Sprache: "Kompetent. Freundlich. Attraktiv" lautet der Slogan auf einem Werbeplakat mit einer Frau in roten Minikleid mit Schraubelschlüssel um den Hals. Das Firmenlogo, ein roter Mund, prangt auf den Hosentaschen der engen Jeans und groß auf den T-Shirts, die für die Frauen im Verkauf zur Betriebsbekleidung gehören.

Foto vom Hintern

Die Kundenberaterin Janine Dambeck war gegen das Logo. "Wir müssen uns nicht wundern, wenn so berichtet wird, wenn wir mit Knutschmund auf Brust und Arsch rumlaufen", sagt sie. Besonders ärgerlich fand sie, dass Auto Bild den Hintern ihrer Chefin abgelichtet hat.

Sven Erkner ist da anderer Meinung - und stolz, dass es seine Tochter in die größte Automobilzeitschrift Deutschlands gebracht hat. Er nennt seine Werbestrategie "Emotionen wecken!". Die ziehe auch in der krisengebeutelten Autoindustrie.

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