Berliner Adventskalender (8): Das Hustenmittel Bromhexin 8

In der DDR gab es Bromhexin-Hustensaft im Einheitspreis. Auch heute gibt es den Wirkstoff in der Apotheke - als gelbe Dragees.

In der Apotheke ist das Hustenmittel heute nur eines unter vielen. Bild: ap, Jan Bauer

Die Suche nach einer Berliner Acht führt in die Apotheke: In den Hustendragees "Bromhexin 8" stecken 8 Milligramm des Wirkstoffs Bromhexinhydrochlorid; gedreht und abgepackt werden die gelben Pillen in den Fabriken der Berlin-Chemie AG in Adlershof und Britz. Früher eines der drei größten Pharmaunternehmen der DDR, gehört es heute zu den Top 20 der Arzneimittelkonzerne und hat vor allem den osteuropäischen Markt erobert.

Die meisten in der DDR Aufgewachsenen kennen noch den Bromhexin-Hustensaft, damals erhältlich für den Einheitspreis von 2,45 Ostmark. Will man mehr über den Wirkstoff erfahren, liest man etwa im Pharmakologie Journal, dass Bromhexin in den 60er-Jahren aus dem Inhaltsstoff des Indischen Lungenkrauts entwickelt wurde. Der Busch wächst in den Höhen des nordindischen Himalaja, und in der ayurvedischen Medizin werden damit seit mehr als 3.000 Jahren Erkrankungen der Atemwege behandelt.

Aber zurück zur Schulmedizin und zurück nach Berlin: Die Unternehmensgeschichte von Berlin-Chemie beginnt vor mehr als hundert Jahren. Im Jahr 1890 eröffnet Johannes Kahlbaum auf dem heutigen Gelände in Adlershof eine chemisch-pharmazeutische Fabrik. Zunächst stellt das Unternehmen nur Laborpräparate her; erst in den 20er-Jahren und nach dem Zusammenschluss mit der Schering AG steigt es in die Medikamentenproduktion ein. Nach 1945 wird die Adlershofer Fabrik verstaatlicht, heißt zunächst "VEB Schering" und wird 1956 - wahrscheinlich wegen des gleichnamigen früheren Partners im Wedding - in "VEB Berlin-Chemie" umbenannt. Das Unternehmen exportiert vor allem in die Sowjetunion und beschäftigt im Jahr 1989 ca. 2.800 Mitarbeiter.

Von denen bleiben nach der Wende nur 1.000 übrig, denn der Absatzmarkt im Osten bricht zusammen, und die Adlershofer Firma hat mit ihrem Erbe - einem Schuldenberg von 69 Millionen Westmark - zu kämpfen. Es findet sich kein Käufer für die veralteten Produktionsstätten, auch der einstige Partner, die Westberliner Schering AG, hat kein Interesse an der Ostschwester. 1992 verkauft die Treuhand die Berlin-Chemie AG an den italienischen Pharmariesen Menarini.

In Britz entsteht eine neue Fabrik, und 1996 beginnt dann der Aufschwung. Seitdem hat sich der Umsatz verzehnfacht. Im vergangenen Jahr lag er bei 1.026 Millionen Euro, zwei Drittel davon wurden auf dem ausländischen Markt erzielt. In 27 Länder exportiert der Konzern - darunter China, Finnland, Rumänien und die Mongolei.

Den größten Absatz finden die Arzneimittel in Russland. Dort wurden anfangs die alten Lieferbeziehungen aus DDR-Zeiten genutzt. 1998 verließen während der Finanzkrise viele Konkurrenten Russland; Berlin-Chemie blieb und ist heute die Nummer eins auf dem russischen Medikamentenmarkt. Heute hat der Konzern weltweit 4.500 Mitarbeiter, 1.300 davon in Berlin.

Insgesamt 5 Milliarden Tabletten und Dragees verließen 2008 die Berliner Fließbänder. Das sind keineswegs nur Hustenpillen - Geld verdient Berlin-Chemie vor allem mit Herz-Kreislauf-Medikamenten und Antidiabetika. Das kleine Bromhexin-8-Dragee und die anderen Erkältungsmittelchen machen gerade mal 0,3 Prozent des Umsatzes aus.

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