Berliner Adventskalender (12): 12 Prozent der Berliner sind verschuldet

Hochrechnungen auf Flipcharts stellen die Schuldnerberater in Wedding zwar nicht an, dennoch beraten sie ihre Kunden kompetent und helfen Schulden zu kanalisieren.

Wenn man Schulden doch genau so einfach fressen könnte wie Geld Bild: ap

Schulden machen ist menschlich. Es betrifft nicht nur dauerklamme Studenten, sondern auch Banker in edlem Zwirn. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform hat herausgefunden: 12 Prozent der Berliner sind überschuldet. Überschuldung bedeutet, dass die zu leistenden monatlichen Gesamtausgaben höher sind als die Einnahmen.

In diesem Jahr überschuldeten sich weniger Berliner als im Vorjahr. Dennoch haben die Schuldnerberater alle Hände voll zu tun. Dabei fahren sie nicht zu ihren Klienten nach Hause und stellen Hochrechnungen auf Flipcharts an - selbst wenn viele Überschuldete das aus der Fernsehsendung "Raus aus den Schulden" kennen und auch erwarten. Was sie stattdessen tun, zeigt ein Besuch bei der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle der Arbeiterwohlfahrt in Wedding: Etwa fünf Überschuldete berät jeder Mitarbeiter pro Tag für je ein bis zwei Stunden. Die Berater erklären: Es gebe mehr Strom- und Handyanbieter als noch vor einigen Jahren, auch Internetbestellungen mehrten sich, also verteilen sich die Schulden auf mehr Gläubiger. Manche häuften Schulden bei 30 bis 40 Gläubigern an, im Durchschnitt seien es 10. Entsprechend viel Aktenarbeit und Korrespondenzen leisten die Schuldnerberater. Auch wegen der hintersinnigen Angebote der Klingelton- und Handyschnickschnack-Anbieter tappen vermehrt jüngere Telefonierfreudige in die Schuldenfalle. Die Berater sortieren und kanalisieren die Schulden ihrer Klienten, damit die monatlichen Raten bezahlbar werden. Ist das nicht mehr möglich, begleiten sie die Überschuldeten in die Verbraucherinsolvenz.

Ein Berater erläutert, dass viele ganz unvermittelt in die Überschuldung rutschen, durch Arbeitslosigkeit oder Scheidung. Beide Expartner blieben auf den gemeinsamen Krediten sitzen. "Der Klassiker ist: Die Leute stehen in der Tür, wenn schon das Konto gepfändet wird", erzählt eine Beraterin. "Viele kommen erst, wenns brennt."

Nur selten betreuen die Schuldnerberater einen Klienten bereits länger als zehn Jahre. In solchen Fällen wird auch mal zu unkonventionellen Methoden gegriffen: "Wandern Sie doch nach Südamerika aus. Da findet Sie keiner", rät ein Schuldnerberater in Wedding gelegentlich. Doch den halb scherzhaft gemeinten Rat hat noch niemand angenommen, sagt er.

Auch wenn sich die Weddinger Berater nicht so auffällig inszenieren wie ihr Kollege Peter Zwegat aus dem Fernsehen, werden sie zu Hoffnungsträgern für die Überschuldeten. Manche Klienten rufen noch an, wenn sie schon lange schuldenfrei sind, und fragen nach Rat bei der Unterzeichnung von Verträgen, berichten die Betreuer.

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