Verhandlungen in Kopenhagen: Die heiße Phase hat begonnen

Seit gestern Abend verhandeln in Kopenhagen die Regierungen direkt miteinander. Was bisher geschah, über welche Aspekte gestritten wird und wie es weitergeht: Ein Überblick.

Nun verhandeln die Regierungen direkt. Bild: reuters

Die Lage: Zehn Tage nach Beginn der Verhandlungen ist die Klimakonferenz in Kopenhagen festgefahren. Seit gestern Abend wird auf Regierungsebene verhandelt, mindestens 113 Staats- und Regierungschefs haben ihre Teilnahme angekündigt. Das spricht dafür, dass ein großer Teil des Streits Inszenierung ist, um die eigene Verhandlungsposition zu verbessern, bevor dann die Spitzenpolitiker zum Abschluss einen Durchbruch verkünden können.

Warum die Verhandlungen so kompliziert sind: Formal finden zwei Klimakonferenzen gleichzeitig statt. Die Industriestaaten, die das Kioto-Protokoll von 1997 zur Reduzierung ihrer jährlichen Treibhausgasemissionen bis 2012 um 5,2 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 unterzeichnet haben, verhandeln als "Members of the Protocol" (MOP). Alle 193 Staaten, die die weniger verbindliche UN-Klimarahmenkonvention von 1992 unterzeichnet haben, bilden parallel die "Conference of Parties" (COP). MOP und COP werden voraussichtlich jeweils eine eigene Abschlusserklärung verabschieden. Die große Frage ist, ob darin das Gleiche steht. Die in der G-77-Gruppe zusammengeschlossenen Schwellen- und Entwicklungsländer finden das Verfahren "intransparent" und haben jetzt durchgesetzt, dass zunächst in fünf Gruppen "offene Konsultationen" stattfinden.

Das voraussichtliche Ergebnis: Die vorliegende Entwürfe der Abschlussdokumente nennen noch keine konkreten Zahlen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen, das zentrale Thema für den Erfolg der Klimaverhandlungen. Im Vorfeld von Kopenhagen haben zwar viele Länder neue Zusagen gemacht; insgesamt reichen diese aber bei weitem noch nicht aus, um den von den Wissenschaftlern des Weltklimarats (IPCC) geforderten Wert zu erreichen, der den Anstieg der Welttemperatur auf 2 Grad bis 2050 begrenzen will. Am Schluss muss es Konsens geben.

Konferenzpräsidentin Connie Hedegaard erklärte gestern: "Das ist eine UN-Konferenz und jeder muss bei jeder Sache zustimmen. Natürlich könnte man das effektiver regeln. Aber das sind nun einmal die UNO-Regeln: Jeder muss zufrieden sein. Und alle, die hierhergekommen sind, kennen diese Regeln."

Der aktuelle Stolperstein: Ein Antrag der "Union der kleinen Inselstaaten" (AOSIS), die akut vom Untergang bedroht sind, behindert die Verhandlungen derzeit technisch. Er fordert als Ziel des neuen Klimaabkommens, dass die Erderwärmung auf 1,5 Grad statt auf 2 Grad begrenzt wird. Der Antrag hat keine Chance auf Erfolg: Erstens sind laut IPCC bereits so viele Treibhausgase produziert, dass diese 1,5 Grad rein praktisch in einigen Jahren überschritten werden.

Zweitens gibt es nicht einmal innerhalb der G-77-Gruppe eine geschlossene Front: Zwar unterstützen die afrikanischen Staaten den Inselstaatenantrag, aber China, Indonesien, Indien und einige andere asiatische Staaten stimmten dagegen. Trotzdem kann formal erst weiterverhandelt werden, wenn dieser Antrag entweder zurückgezogen oder verhandelt wird. Aus der Schweizer Delegation heißt es dazu, den Antrag nicht zu verhandeln sei völlig richtig: Die kleinen Inselstaaten würden ihre Position überschätzen und müssten am ehesten daran interessiert sein, dass es überhaupt ein Abkommen gibt.

Grundsatzstreit Kioto: Die grundlegende Streitfrage ist, ob das Ziel des Klimagipfels eine Verlängerung und Erweiterung des Kioto-Protokolls von 1997 ist, das 2012 ausläuft, oder ob es einen gänzlich neuen Vertrag geben soll. Eine Lösung dieses Streits gilt mittlerweile als ausgeschlossen. Ziel ist stattdessen eine politische Einigung über Reduktionsverpflichtungen und Finanzhilfen, die dann in sechs bis zwölf Monaten in eine verbindliche Form überführt wird. Hier geht es nun darum, mögliche Reduktionsverpflichtungen sowie Finanzhilfen für Entwicklungsländer festzulegen.

Die Position der Entwicklungsländer: Die in der G-77-Gruppe zusammengeschlossenen Entwicklungs- und Schwellenländer wollen am Kioto-Protokoll festhalten, weil dies nur für Industrieländer Verpflichtungen beinhaltet. Zudem fordern sie, die USA dort einzubeziehen. Eigene Zusagen, den Anstieg des CO2-Ausstoßes wenigstens zu verlangsamen, wollen sie nicht verbindlich, sondern allenfalls freiwillig abgeben und ohne die Möglichkeit der internationalen Überprüfbarkeit. Dies gilt vor allem für China und Indien.

Die Position der USA: Die Vereinigten Staaten haben das Kioto-Protokoll zwar unterzeichnet, jedoch nicht ratifiziert. Das soll auch so bleiben. "Wir werden nichts unterschreiben, was auf dem Kioto-Protokoll fußt, wie das Kioto-Protokoll aussieht oder ein Kioto-Protokoll mit anderem Namen ist", sagt US-Chefunterhändler Todd Stern. Denn auf Kioto-Basis würden die USA eigenen bindenden Emissionssenkungen zustimmen, während China als Schwellenland außen vor bleibt, obwohl China die USA mittlerweile als größter Kohlendioxid-Verschmutzer überholt hat.

Zudem wäre eine Einhaltung der Kioto-Zusagen für die USA schwierig: Das Land stößt heute 24 Prozent mehr Treibhausgase aus, als ihnen nach dem Kioto-Vertrag zugestanden ist. Die US-Delegation ist daher mit dem Angebot nach Kopenhagen gereist, die US-Emissionen bis 2020 im Vergleich zu 2005 um 17 Prozent zu senken. Bezogen auf 1990 entspricht dies rund 4 Prozent.

Die Position der EU: Die EU strebt an, dass sich die USA zu Reduktionen verpflichten. Ob dass unter dem Kioto-Protokoll passiert oder ob es einen komplett neuen Vertrag gibt, ist nicht so wichtig. So gibt es zwei Verhandlungsstränge: Einerseits soll das Kioto-Protokoll verlängert werden. Andererseits soll es eine neue Vereinbarung geben, die verbindliche Zusagen der USA sowie der Entwicklungs- und Schwellenländer enthält.

Einzelne Knackpunkte - Finanzhilfen, Waldschutz, Flugverkehr: Zweiter wichtiger Streitpunkt neben der Reduzierung der Emissionen sind die finanziellen Hilfen, die die Industriestaaten an die Entwicklungsländer zahlen sollen, um ihnen eine Anpassung an den Klimawandel und eigene Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren. Bei den langfristigen Zusagen - ab 2020 sind mindestens 100 Milliarden Euro jährlich nötig – gibt es keine Fortschritte. Bei den kurzfristigen Zahlungen gibt es bisher Zusagen der EU und Ankündigungen aus Japan. Die genannten Summen halten die Entwicklungsländer aber für zu gering. Keinen Durchbruch, aber einzelne Fortschritte gibt es bei den Fragen, wie die Wälder geschützt werden können und wie der Flugverkehr eingebunden werden kann.

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