Anhörung von EU-Kommissar Oettinger: Respekt vor der nationalen Kompetenz

Bei seiner Anhörung im EU-Parlament wird Günther Oettinger vor brisanten Fragen verschont. Bei seiner Bewerbung als Energiekommissar will er Atomkraft als Brückentechnologie befürworten.

Respektiert die Haltung Frankreichs, das auf Nuklearenergie setzt und Österreichs, das sie ablehnt: Günther Oettinger (CDU). Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Der Gastgeber begrüßt den Kandidaten wie einen alten Freund. Herbert Reul ist seit dem Sommer Vorsitzender des Industrieausschusses und teilt mit Günther Oettinger, der Energiekommissar werden will, das Parteibuch und die industriefreundlichen Überzeugungen. Drei Stunden lang führt er durch ein Frage-Antwort-Spiel, das dem Kandidaten wilde Zickzacksprünge abverlangt.

Grüne und Sozialisten interessiert vor allem die Frage, wie es Oettinger, der sich als baden-württembergischer Ministerpräsident für die Verlängerung von AKW-Laufzeiten aussprach, im neuen Amt mit dieser Energieform halten will. Seine Antwort darauf ist knapp und simpel. "Als Baden-Württemberger trete ich dafür ein, dass die Laufzeiten verlängert werden. In meiner neuen Funktion respektiere ich die nationale Kompetenz."

Für ihn sei Atomkraft eine Brückentechnologie. Mehr als 50 Prozent der Gewinne sollten abgeschöpft werden, um erneuerbare Energieformen zu fördern. Er respektiere aber die Haltung Frankreichs, das auf Nuklearenergie setze, oder Österreichs, das sie ablehne. Sein Land liege geografisch genau dazwischen.

Als Energiekommissar steht für ihn die Frage im Vordergrund, was auf Dauer mit dem Atommüll geschehen soll. "Die Frage der Endlagerung nimmt man als Gegner oder als Befürworter der Kernkraft ernst." Die europäischen Gesetze zum Sondermüll seien ein Beispiel, wie man es nicht machen dürfe. Keinesfalls dürften niedrige Entsorgungskosten in Drittländern dazu führen, dass man sich des Problems auf möglichst billige Weise entledige.

Oettinger würde eine grenzübergreifende Lösung bevorzugen. An der Grenze zwischen Baden-Württemberg und der Schweiz haben Geologen in Benken nahe Schaffhausen eine mehr als hundert Meter dicke Schicht Opalinuston gefunden, der als geeignet gilt, Atommüll unbegrenzt aufnehmen zu können. Anwohnerproteste gibt es in der Schweiz kaum, und die Baden-Württemberger sondieren, ob sie das Lager mitnutzen können. Ein ähnliches Projekt hofft Oettinger auch innerhalb der EU anschieben zu können.

Dem grünen Energieexperten Claude Turmes sind solche Gedankenspiele natürlich ein Dorn im Auge. Er will vom Kandidaten wissen, ob der bereit sei, auch gegen den Widerstand der großen Stromkonzerne den Zugang kleiner Anbieter zu den Energienetzen durchzusetzen. "Es ist ein offenes Geheimnis, dass Sie eine enge Beziehung zu RWE-Chef Jürgen Großmann und Eon-Chef Wulf Bernotat haben. Natürlich können Sie Skat spielen mit wem Sie wollen, aber sind Sie unabhängig genug für den Job?"

Ein einziges Mal habe er mit Herrn Großmann im selben Saal Skat gespielt, so die Antwort, allerdings nicht am selben Tisch - bei einem Preisskat für gute Zwecke. "Vielleicht lädt mein Nachfolger Sie einmal dazu ein, Herr Turmes. Wenn Sie ordentlich Geld mitbringen und ordentlich Skat spielen, dürfen Sie bestimmt einmal kommen." Damit hat Oettinger die Lacher auf seiner Seite. Am Ende bedankt er sich für "eine Atmosphäre, die ich deutlich angenehmer empfunden habe, als mir alle vorhergesagt haben". Wie er so entspannt in die Runde lächelt, glaubt man es ihm sofort.

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