Gesundheitsvorsorge: Wenn das Amt zum Helfen klingelt

Bei Hausbesuchen berät das Gesundheitsamt Familien mit Neugeborenen. Das will nicht jede Familie, wie eine erste Auswertung des Präventionsprojekts "Tipp Tapp" zeigt

Werden zarte Füße gut behandelt? Das will das Amt wissen Bild: dpa

Auf Hausbesuch bei Familien mit neugeborenen Kindern geht das Gesundheitsamt mit dem Präventionsprojekt "Tipp Tapp - Gesund ins Leben". Knapp zwei Jahre nach der Einführung hat die Gesundheitsbehörde jetzt eine Auswertung vorgelegt. Die zeigt: Einen Besuch vom Amt lehnte jede dritte bis vierte Familie ab.

Wer in sozial benachteiligten Stadtteilen wie Tenever, Gröpelingen oder der Neuen Vahr Nachwuchs bekommt, kriegt seit April 2008 Post vom Gesundheitsamt. Darin wird ein Besuch der Gesundheits- und Kinderkrankenschwestern des Gesundheitsdienstes angekündigt und gleich ein Termin vorgeschlagen. Wer die Krankenschwestern nicht empfangen will, muss also absagen. Insgesamt drei Mal kommt "Tipp Tapp": kurz nach der Geburt, nach sechs und nach zwölf Monaten.

"Der Sinn von ,Tipp Tapp' ist es, Rat und Unterstützung zu geben", erklärt Petra Kodré, Sprecherin der Gesundheitsbehörde. Ziel sei es, die Familien zu Themen wie Ernährung, Pflege und Erziehungsfragen zu beraten. Zudem sollen Kontakte zu Angeboten im Umfeld der Familien vermittelt werden, etwa zu KinderärztInnen, Müttertreffs oder den Häusern der Familien. Nebenbei geht es aber auch um ein so genanntes Screening der Familien. Eingeschätzt werden die Familiensituation und das Entwicklungsumfeld des Kindes.

Beides befanden die Krankenschwestern in über 80 Prozent der besuchten Familien, die sie in die Wohnung ließen, für gut bis sehr gut. Allerdings: Bei 15,7 Prozent der Neugeborenen stuften sie Umfeld und Versorgung als mangelhaft bis ungenügend ein. Die meisten dieser Mütter hätten weder einen Geburtsvorbereitungs- noch einen Säuglingspflegekurs besucht, häufig litten sie unter Isolation. In 40 Prozent der Familien sei die Verständigung wegen Sprachproblemen bei den Besuchen stark beeinträchtigt, in zehn Prozent gar nicht möglich gewesen. Fast für die Hälfte der Familien mit einem sechs Monate alten Kind seien Hilfsangebote im Umfeld vermittelt worden. Drei Kinder wurden dem Jugendamt gemeldet.

Das sei aber die Ausnahme, sagt Kodré. Auch bei Familien, in denen das Umfeld mangelhaft eingeschätzt wurde, gehe es "nicht um ernsthafte Kindeswohlgefährdungen". Dazu zählten etwa Eltern, die in der Wohnung rauchen oder ihrem Kind gezuckerten Tee geben, erklärt sie. In diesen Familien gehe es vornehmlich um Aufklärung.

Den Start von "Tipp Tapp" empfindet man bei der Gesundheitsbehörde als gelungen. "Dreiviertel der Eltern haben das Angebot angenommen", sagt Kodré. Das seien mehr als erwartet. Wichtig ist ihr zu betonen, dass das Programm "kein Kontrollinstrument" sei.

Eben das könnte aber der Knackpunkt sein, sagt Martina Wollradt, Projektleiterin der Elternschule Gröpelingen. Groß sei die Angst, kontrolliert zu werden, Kompetenzen in der Erziehung abgeben zu müssen oder gar die Kinder weggenommen zu bekommen. "Viele mögen Probleme nicht äußern, wenn sie gezielt danach gefragt werden", sagt sie. "Um darüber zu reden, baucht es Vertrauen." Dass das in Bezug auf "Tipp Tapp" noch wächst, hofft Kodré. "Wenn es eine Unterstützung für die Familien ist, wird sich das rumsprechen", sagt sie.

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