Pro Schulreform: Migranten für Primarschule

Netzwerk migrantischer Eltern will die Schulreform und mehr Lehrer mit Migrationshintergrund. Lehrer mit Examen aus dem Ausland werden nicht anerkannt.

Ob Muslima oder nicht: Bei den jüngeren SchülerInnen hat fast jede zweite Migrationshintergrund - bei den Lehrkräften sind es erheblich weniger. Bild: dpa

Die Interkulturelle Elterninitiative, ein Netzwerk von 25 migrantischen Elternvereinen, hat sich gestern erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. "Es gibt viele Missstände", sagte Sprecherin Marina Mannarini. "Wir müssen immer wieder feststellen, dass wir unsichtbar zu sein scheinen für Politik und Öffentlichkeit."

Dabei habe bei den jüngeren Schülern fast die Hälfte Migrationshintergrund, sagte Mitstreiterin Melek Korkmaz. "Nur leider haben die Stimmen ihrer Eltern nicht das gleiche Gewicht."

Sie freue sich sehr, dass es dieses Bündnis gibt, sagte die als Gast geladene Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) und forderte die Eltern auf: "Seien Sie laut, seien Sie ganz laut. Es gibt in dieser Stadt andere, die sehr laut sind."

Die zentrale Botschaft der Initiative dürfte Balsam für ihre Seele sein: "Wir finden die Reform gut", brachte Elternvertreterin Dimitra Merdin es auf den Punkt. Das Bündnis fordert die Abschaffung der frühen Selektion und des dreigliedrigen Schulsystems. "Als ich noch in Russland war, habe ich nicht geglaubt, dass es in Deutschland solche Schulen gibt", sagte ein Vater von fünf Kindern. In seiner alten Heimat gingen die Kinder acht Jahre gemeinsam zur Schule. "Ich glaube, das ist unsere Zukunft. Wir müssen alle Kinder mitnehmen."

Wichtig ist den Eltern allerdings das Mitspracherecht bei der Schulformwahl. Hierzu erklärte Goetsch prompt, "wir werden dafür sorgen, dass Eltern das letzte Wort haben". Die Eltern wünschen sich auch Lehrer mit interkultureller Kompetenz. Mannarini sprach von "Schubladendenken". "Wenn Jean ein cholerisches Kind ist, heißt es: Klar, der hat ja Migrationshintergrund. Bei Ben bemüht sich der Lehrer, nach Gründen für sein Temperament zu suchen."

Doch trotz Bemühungen gebe es nur wenige Pädagogen mit Migrationsgeschichte. Goetsch berichtete, man habe deren Anteil bei den Referendaren seit 2008 von sieben auf knapp 20 Prozent erhöht. "Ich weiß, das ist noch nicht genug."

Eine Studie der Stiftung Mercator aus dem Jahr 2009 hat gezeigt, dass Schüler mit Migrationshintergrund enorm davon profitieren, wenn Lehrer dieselbe ethnische Herkunft haben.

Dieses Thema beschäftigte am Donnerstag auch die Bürgerschaft. Grundsätzlich stimmten alle Fraktionen dem Antrag der Linken zu, die interkulturelle Einbindung von Lehrkräften zu fördern. Die Linksfraktion will Lehrer aus nicht Nicht-EU-Ländern gleichbehandeln.

Lehrkräfte aus Ländern wie der Türkei, dem Irak oder Afghanistan hätten in Hamburg große Schwierigkeiten, ihren Beruf auszuüben, berichtete Fraktions-Chefin Dora Heyenn. "Viele leben seit Jahren in Deutschland, trotzdem werden ihre ausländischen Examina nicht richtig anerkannt." Einige dürften gar nicht als Lehrer arbeiten, andere würden deutlich schlechter bezahlt. Zwar gebe es die Möglichkeit einer universitären Fortbildung, aber: "Häufig besteht für diese Menschen aus sozialen und familiären Gründen keine Möglichkeit, diese Angebote wahrzunehmen", so Heyenn. Daher sei es wichtig, außeruniversitäre Nachschulungen und Bewährungsaufstiege anzubieten.

Der Schulausschuss soll nun klären, wie viele Lehrkräfte mit ausländischen Examina in der Stadt tätig sind. Man werde den weiteren Prozess "konstruktiv begleiten", sagte Marino Freistedt von der CDU. Gerhard Lein (SPD) zitierte das Motto der Bildungsbehörde: "Eine kluge Stadt braucht alle Talente."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.