Euro-Krise in England: Alles andere als gerettet

Britische Gegner des Euros loben den britischen Regierungskurs angesichts des fallenden Eurowerts. Doch die britische Wirtschaft ist sehr abhängig von den Euro-Staaten.

Die Wirtschaftskrise erreicht auch das Vereinigten Königreich - trotz des Pfunds. Bild: ap (archiv)

Die Schadenfreude ist groß. Mit Genugtuung streichen die britischen Euro-Gegner angesichts der Euro-Krise immer wieder heraus, wie schief diejenigen lagen, die damals Großbritanniens Beitritt zum Euro befürworteten. Das Pfund habe die Insel gerettet, tönt auch der Tory-Chef David Cameron, der die Europäische Union ohnehin für irrelevant und von geringem Interesse für Großbritannien hält.

In Wirklichkeit ist Großbritannien alles andere als gerettet. Der Kurs des britischen Pfunds ist in den vergangenen anderthalb Jahren um 25 Prozent gesunken, das britische Handelsdefizit mit der EU dagegen auf 3,7 Milliarden Pfund gestiegen. Die Importe nahmen im vergangenen Jahr viermal schneller zu als die Exporte - trotz des niedrigen Pfundes.

Darüber hinaus gehört den britischen Banken ein Fünftel der griechischen Staatsanleihen. Kann Griechenland nicht zahlen, sind die britischen Banken davon genauso betroffen wie die Banken der Euroländer.

Hinzu kommt ein Haushaltsdefizit in der Rekordhöhe von 178 Milliarden Pfund. Eine Gruppe von angesehenen Akademikern und Wirtschaftswissenschaftlern warnte jetzt in einem offenen Brief, dass der von der Regierung für 2011 angepeilte Wirtschaftsaufschwung von 3,5 Prozent in weite Ferne rücke, falls die Regierung nicht einen vernünftigen Plan zur Reduzierung des strukturellen Haushaltsdefizits innerhalb von fünf Jahren aufstelle. Vor allem bei öffentlichen Ausgaben müsse man sparen, und Steuererhöhungen müssen breit gestreut werden, heißt es in dem Brief.

Die Labour-Regierung will das Defizit binnen vier Jahren halbieren. Einig ist man sich über die dafür erforderlichen Maßnahmen allerdings nicht. Während Premierminister Gordon Brown sich Ende März - also kurz vor den britischen Parlamentswahlen - ein wählerfreundliches Budget wünscht, setzt sein Schatzkanzler Alistair Darling vor allem im öffentlichen Sektor auf einen drastischen Sparkurs. Dadurch würden jedoch die Arbeitslosenzahlen, die zurzeit bei 2,5 Millionen liegen, weiter steigen.

Wahrscheinlich ist der Haushaltsplan nach den Wahlen aber ohnehin nur Makulatur. Die Tories haben schließlich angekündigt, innerhalb von 50 Tagen nach ihrem zu erwartenden Wahlsieg ein Notbudget aufzustellen und das Haushaltsdefizit aggressiv zu bekämpfen.

Brown betonte Anfang der Woche, dass es richtig war, das höchste Defizit der britischen Geschichte anzuhäufen, um den Menschen durch die Rezession zu helfen. Dennoch sinkt der Lebensstandard von großen Teilen der Bevölkerung: Die Löhne sind in den meisten Branchen längst eingefroren oder gekürzt worden, jedenfalls die der einfachen Angestellten.

Die meisten leitenden Angestellten hingegen haben von der Wirtschafts- und Finanzkrise wenig gespürt - im Gegenteil: Erhielten die Spitzenverdiener vor zehn Jahren noch das 47-fache eines einfachen Angestellten, so ist es im Durchschnitt heute das 128-fache. Terry Leahy, der Chef des Supermarktriesen Tesco, genehmigte sich im Jahre 2008 sogar ein Gehalt, das dem von 900 Supermarktangestellten zusammen entsprach.

Und dann sind da auch noch die Banken. Barclays hat 2009 an jeden der rund 23.000 Investmentbanker durchschnittlich 191.000 Pfund an Gehältern und Boni gezahlt. Die Bank hat 2009 einen Rekordprofit von 11,6 Milliarden vor Steuern eingefahren, wie sie in dieser Woche bekannt gab. Der Bonustopf enthielt 2,7 Milliarden Pfund, fast das Doppelte des Vorjahres.

Die Royal Bank of Scotland, die von ihrem damaligen Chef Fred Goodwin mit riskanten Übernahmegeschäften in den Bankrott getrieben wurde, will ihre Bonuszahlungen an den Barclays-Sätzen orientieren. Von 1,3 Milliarden Pfund ist die Rede, obwohl die Bank 2009 erneut schwere Verluste gemacht hat und aufgrund der staatlichen Rettungsmaßnahmen zu 84 Prozent den Steuerzahlern gehört. Die müssten eigentlich rebellieren, wenn ihnen Ende März ein Sparhaushalt serviert wird, während die Banker erneut die Steuergelder großzügig unter sich verteilen.

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