Phorms-Macher über Schulen: "Private sind bei Bildung nicht gewollt"

Die Phorms-Schulen mischten den Bildungsmarkt kräftig auf. Jetzt wird nicht mehr expandiert, sondern zwei der acht Schulen nehmen keine neuen Schüler mehr auf. Ist das Modell "Profit mit Bildung" gescheitert?

Béa Beste: "Es geht um gute Bildung, egal wer sie macht, ob der Staat oder ein Privater". Hier die Phorms-Schule in Berlin. Bild: dpa

taz: Herr Lechner, Sie sind der Aufsichtsratschef der Phorms Management AG. Würden Sie Ihr Kind an einer Phorms-Schule anmelden?

Klaus Lechner: Mein Kind absolviert gerade einige Zeit Schnupperunterricht in der Vorschule. Ich würde mich sehr freuen, wenn es ihm Spaß macht - dann wird es bei Phorms in die Schule gehen.

Frau Beste, können Sie als Vorstandschefin Eltern verstehen, die nach zwei Schulschließungen kein Vertrauen mehr in Ihre Schulen haben?

Mit großen Zielen sind die Macher der Phorms Management AG vor fünf Jahren an den Start gegangen. Die Boston-Consulting-Beraterin Béa Beste und der Biotechunternehmer Alexander Olek wollten Schulen gründen, die besser sind als die des Staates - und gleichzeitig damit Geld verdienen. "Wenn der Wind des Wechsels weht, bauen einige Mauern und andere bauen Windmühlen", sagte Beste noch im vergangenen Juni der taz.

Heute herrscht große Ernüchterung. In Hannover und Köln stehen zwei der acht Phorms-Schulen vor dem Aus. Neugründungen, wie in Heidelberg geplant, sind vom Tisch. Weiter bestehen bleiben sollen lediglich die Schulen in Berlin, München, Hamburg und Frankfurt.

Im Unternehmen selbst hat derzeit der Kaufmann und ehemalige Telekommunikationsmanager Klaus Lechner als Aufsichtsratschef das Ruder übernommen. Er verkündete das Ende der Filialen Hannover und Köln und schwört der aggressiven Expansion ab. Béa Beste agiert eher aus dem Hintergrund und tritt mittlerweile leiser auf. Sogar mit den Privatschulverbänden, die es bisher ablehnten Phorms-Schulen aufzunehmen, will man sich nun arrangieren.

An Phorms-Schulen wird von der ersten Klasse an bilingual unterrichtet. Die Lehrer werden unter anderem auf Messen in Kanada und England rekrutiert. Das Schulgeld variiert je nach Standort und Einkommen der Eltern zwischen 230 und 1059 Euro. Die Hamburger Schulbehörden haben es auf maximal 200 Euro und 50 Euro für Geringverdiener begrenzt. (wos)

Béa Beste: Ich kann nachvollziehen, wenn Eltern verunsichert sind. Aber glauben Sie uns, wir tun alles, um die Situation zu verändern - in Taten und mit viel Kommunikation.

Wie dramatisch ist die Situation von Phorms?

Lechner: Sie ist nicht so, wie sie von außen vielleicht aussieht. Wir haben sechs Schulen an vier Standorten, die sehr gut laufen. Die Finanzierung dieser Schulen ist sicher. Wir haben mehrere neue Investoren gewonnen und das Kapital um mehrere Millionen Euro aufgestockt. Zu ihnen gehört auch Christian Boehringer, der zugleich im Verwaltungsrat sitzt. Ich sehe keine Dramatik.

Gilt das auch für Hamburg, wo Sie maximal 200 Euro Gebühren nehmen dürfen?

Lechner: Ja, wir beginnen dort gerade mit der Primarschule. Dort gibt es einen großen Streit über die sechsjährige Grundschule. Wir starten die jetzt - und wir werden auch als Phorms weiter organisch wachsen.

Organisch zählte bisher nicht zu Ihrem Wortschatz, Frau Beste. Sie waren wie eine kleine Tigerin am Bildungsmarkt. Schneller, besser, mehr Profit - das war Ihr Credo.

Beste: Ich habe vielleicht zu optimistisch über das mögliche Wachstum von Phorms gesprochen.

Optimistisch? Andere Wettbewerber nannten Sie aggressiv. Die organisierten Privatschulen waren so sauer auf Ihr neues Bildungsmotto von "Besser lernen und Gewinn machen", dass man Sie sich nicht mal in deren Verband gelassen hat.

Beste: Unternehmertum ist manchmal von Rückschlägen gekennzeichnet. Es geht uns darum, unseren jetzigen Schulkindern die Garantie für einen guten Abschluss zu geben - und dafür zu sorgen, dass sie weiter Spaß am Lernen haben. Das bestreiten übrigens nicht mal die Eltern der Schulen, in die wir keine neuen Kinder mehr aufnehmen.

Lechner: Der aggressive Wachstumsanspruch von Phorms gehört der Vergangenheit an. Wir hatten, ausgelöst durch die große Nachfrage, eine regelrechte Gründungseuphorie erlebt. Man kann Schulen in einem bilingualen Bildungskonzept aber nicht auf einen Schlag mit Kindern füllen - sie müssen von unten wachsen. Profit ist dabei kein Thema.

Moment mal, Sie wollten 6 bis 8 Prozent Rendite erzielen. Sie haben sogar damit geprahlt. 40 Schulen wollten Sie gründen, jetzt begnügen Sie sich mit sechs?

Lechner: Wir wollen diese Schulen wirtschaftlich führen. Und wir wollen Rückflüsse in die Phorms Management AG organisieren, um dann Schritt für Schritt weiter zu wachsen. Aber wir sagen nicht mehr, dass wir 40 Schulen um jeden Preis aufbauen.

Das werden ihre Investoren nicht so gerne hören, die wollen doch Rendite sehen.

Lechner: Der Verwaltungsrat als Vertreter der Aktionäre hat diese Geschäftspolitik abgesegnet. Die Investoren sagen, sie erwarten eine soziale Rendite …

was ist das denn?

Lechner: Wir glauben, dass Bildung ein öffentliches Gut ist, und verfolgen eine nachhaltige Strategie. Alles andere gehört der Vergangenheit an. Insofern sind unsere Investoren eher Sponsoren.

Pardon, Sie verletzen eine andere wichtige Aufgabe, die sich Phorms gestellt hatte - und die ja völlig richtig war: Bildung kann man besser machen als der Staat, viel besser. Das waren Ihre Worte, Frau Beste.

Beste: Ja, aber wir leben nicht im Wolkenkuckucksheim. Wir wollen gerne ein Vorbild sein. Nur wenn wir Probleme bekommen, etwa damit, dass unsere Lehrer in Nordrhein-Westfalen keine Anerkennung finden, obwohl sie zweisprachig sind und hervorragend ausgebildet, dann rennen wir da nicht mit dem Kopf gegen die Wand. Wir wollten gute Schule machen, das kostet Geld und braucht gute Lehrer. Und wenn man das nicht will - dann gehen wir da eben nicht mehr hin.

Wundert es Sie, dass der Staat seine mediokren Schulen vor Ihnen schützt?

Lechner: Wir suchen die Schuld nicht beim Staat. Wir hatten einen Nachfrageboom durch Eltern, die von staatlichen Schulen enttäuscht waren. Dieser Boom hat uns ein bisschen die Aufmerksamkeit dafür geraubt, die staatlichen Förderbedingungen genau zu studieren. In Niedersachsen gibt es nach einer Wartefrist für einen Grundschüler 175 Euro Zuschuss - in Hamburg 850, in München über 600 Euro. 175 Euro pro Monat, das ist einfach zu wenig für unseren Qualitätsanspruch.

Sie wollten sogar international agieren und Schulen in der Türkei oder Israel gründen.

Lechner: Genau genommen, sind wir doch jetzt schon ein multinationales Unternehmen.

Bitte? Haben wir was verpasst?

Lechner: Schauen Sie nur mal auf die föderalen Strukturen der 16 Bundesländer, das ist ein bunter Strauß an rechtlichen und finanziellen Regelungen. Und jeweils anderen Bildungskulturen. Ein Lehrer aus Kanada, der in Bayern mit Handkuss akzeptiert wird, kann in Nordrhein-Westfalen keine Chance haben.

Man könnte auch sagen: Der Staat in Form der Bundesländer behütet sein Schulkartell - indem er Ihnen das Leben mit schlechter Finanzierung und bürokratischen Auflagen schwermacht.

Beste: Es geht gar nicht nur um den Staat. Wenn Sie mit einer AG Bildung betreiben, dann gehen in Deutschland sofort die Alarmglocken an. Bildung ist ein öffentliches Gut, geradezu heilig - da ist man als Privatunternehmer eigentlich gar nicht gewollt. Alle denken gleich, der elitäre Profitmacher zeigt allen anderen jetzt mal, wie man Schule macht. Das ist aber Unsinn und es schafft Fronten, die vollkommen unnötig sind.

Sie beichten gerade, Frau Beste. Weil Sie selbst früher die Fronten gern mal verhärtet haben?

Beste: Wir wollen gute Bildung machen, das war immer unser Ziel. Und wir sind überzeugt, dass es in jeder staatlichen Schule motivierte Lehrer gibt, die genau dasselbe wollen. So habe ich immer gedacht. Vielleicht hätte ich es noch lauter sagen sollen. Es geht um Gemeinsamkeit, nicht um Konkurrenz.

In Hannover und Köln geht es nun ums Überleben. Was tun Sie für die Standorte, damit es keine Geisterschulen werden?

Lechner: Allen Kindern, die dort zur Schule gehen, sichern wir den jeweiligen Abschluss zu. Und wir stehen gleichzeitig in intensiven Gesprächen, um Interessenten zu finden, die unsere Schulen fortführen. Das Interessante ist ja, dass in beiden Städten Eltern sind, die das Phorms-Konzept begeistert. Die würden sich auch sofort finanziell stärker engagieren.

Warum machen Sie das nicht?

Lechner: Weil wir dann keine Ersatz-, sondern eine Ergänzungsschule wären, wie es etwa die International Schools sind. Wir hätten dann aber auch eine ganz andere soziale Mischung. Wenn aus der letzten Reihe einer Elternversammlung jemand ruft, "Ja, ich bezahle gern 1.000 Euro mehr!", dann sitzt in der ersten Reihe eben jemand, der keine 200 Euro zahlen kann. Den wollen wir aber auch haben.

Wie so viele Privatschulen behaupten Sie das. Wir halten das für eine Mär. Kinder von Hartz-IV-Empfängern haben wir bei Phorms keine gefunden.

Lechner: In München müssen wir uns sogar an eine von den Schulbehörden vorgegebene Einkommensstruktur der Eltern halten - sonst bekommen wir die Genehmigung erst gar nicht.

Werden Sie Ihr Versprechen halten, die Schulen in Hannover und Köln mit dem zu unterstützen, was Sie beim Verkauf dieser Filialen einsparen?

Lechner: Wir unterstützen tragfähige Konzepte anderer Träger. Das Ausmaß hängt von den Übergabebedingungen ab.

Frau Beste, wenn wir auf die Idee kämen, eine freie Schule zu gründen, welchen Tipp können Sie als gebranntes Kind des Bildungswettbewerbs geben?

Beste: Schauen Sie ganz genau hin, wo Sie welches Konzept machen wollen. Und tragen Sie dazu bei, dass die Fronten nicht verhärten - es geht um gute Bildung, egal wer sie macht, ob der Staat oder ein Privater.

Von Christian Füller, Wolf Schmidt und Annegret Nill erscheint im März "Ausweg Privatschulen? Was sie besser können, woran sie scheitern". edition Körber-Stiftung

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