Babyklappen: Kinder ohne Herkunft

Eine umstrittene Institution hat Geburtstag. Befürworter bewerten die Klappen als lebensrettend, Kritiker warnen davor, Kindern das Recht auf Herkunft zu nehmen.

Feiert den 10. Geburtstag: Babyklappe, hier in Hamburg-Altona. Bild: dpa

Vor genau zehn Jahren - am 8. April 2000 - lag zum ersten Mal in Deutschland ein Säugling in einer Babyklappe. Der Verein "Sterni-Park" hatte das geschützte Wärmebettchen, in das Frauen anonym ihr Neugeborenes legen können, in Hamburg-Altona eingerichtet. "Kein Kind darf Schaden nehmen, weil seine Mutter überfordert ist", erklärt Leila Moysich, Leiterin des Projekts Findelkind bei Sterni-Park, die Motivation der Initiative.

Seit 2000 seien 38 Babys in die inzwischen zwei Klappen des Vereins in Hamburg gelegt worden, sagt Moysich. "Man kann nicht sagen, dass es einen Babyboom in der Babyklappe gegeben hat." Und 14 Mütter hätten ihre Kinder wieder zu sich genommen. Seitdem es die Klappen gebe, sei zudem die Zahl getöteter Neugeborener in Hamburg deutlich gesunken. Bundesweit gibt es knapp hundert Babyklappen. Durch sie sollen ungewollt schwangere Frauen nach der Geburt eine Möglichkeit haben, ihr Kind anonym abzugeben.

Diesem Ziel dient auch das Projekt "Mirjam - ein Netzwerk für das Leben" in Hannover. Es wurde 2001 von der damaligen Bischöfin Margot Käßmann gegründet und bietet neben einem Notruftelefon und anderen Angeboten für Mütter in Not auch ein "Babykörbchen" im Diakonie-Krankenhaus Friederikenstift. In Rotenburg / Wümme soll auf Initiative der Diakonie in diesem Sommer ein weiteres Babykörbchen eingerichtet werden - das fünfte in Niedersachsen.

Historisch: Papst Innozenz III. ließ Ende des 12. Jahrhunderts verfügen, dass an den Pforten von Findelhäusern so genannte Drehladen angebracht wurden, wo Neugeborene heimlich und gefahrlos abgelegt werden konnten.

Anonym: Neben den Babyklappen gibt es rund 130 Krankenhäuser in Deutschland, in denen anonyme Entbindungen vorgenommen werden.

Juristisch: Eine gesetzliche Grundlage für Babyklappen gibt es nicht. Jede Person, die von einer Geburt weiß, ist verpflichtet, diese dem Standesamt mitzuteilen. Babyklappen-Betreiber verstoßen folglich gegen das Gesetz.

Niedersachsens Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) betont: "Jedes einzelne Menschenleben rechtfertigt dieses Angebot als ultima ratio. Das Recht auf Leben ist unendlich wichtiger als das Recht auf Kenntnis der eigenen Herkunft."

Der Deutsche Ethikrat hingegen bewertet die Babyklappen hingegen als "rechtswidrig und ethisch problematisch". In den vergangenen zehn Jahren seien 300 bis 500 in den Klappen abgelegte Kinder zu "Findelkindern mit dauerhaft anonymer Herkunft" geworden. Der Ethikrat hat sich für die Abschaffung von Babyklappen und gegen alle Angebote zur anonymen Geburt ausgesprochen. "Die Gesellschaft soll keine direkten oder indirekten Anreize bieten, Eltern aus ihrer Verantwortung zu entlassen", sagt der Kieler Rechtsprofessor Edzard Schmidt-Jortzig, Vorsitzender des Ethikrats. Durch Babyklappen würden "grundsätzlich falsche Signale" gegeben.

Als Alternative schlägt der Rat ein Gesetz zur "vertraulichen Kindesabgabe mit vorübergehend anonymer Meldung" vor. Dabei wird der Frau zugesichert, dass ihre Daten ein Jahr lang ab Geburt des Kindes nur der Beratungsstelle, nicht aber den Meldebehörden mitgeteilt werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.