Tatort "Blutgeld": Mitleid mit dem Banker
Die Erstfamilie eines rumaffärenden Bankers wurde erschossen. Regisseur Martin Eigler verbindet auf gewagte, aber glaubhafte Weise Familien- und Finanzmelodram.
Sich zu übernehmen, das gehörte vor der Krise in Finanzdienstleisterkreisen ja quasi zum guten Ton. Banker Marc Simon (Stephan Kampwirth) tat das gleich in zweifacher Weise: Durch Aktienspekulationen verschuldete er sich mit einem knapp siebenstelligen Betrag, privat führte er gleich zwei Beziehungen mit jeweils einem Kind nebeneinander. Marc war also ein Multitasker im wahrsten Sinne des Wortes; einer, der Ehe und Daueraffäre genauso zu vereinigen suchte wie den Bankjob und das Fremdgeldjonglieren.
Jetzt liegt seine Erstfrau samt Tochter erschossen in dem teuren Eigenheimbungalow. Die Tat wurde präzise durchgeführt, die beiden Opfer müssen fast zeitgleich von den Kugeln getroffen worden sein. Kann es sein, dass eine ausländische Verbrecherbande dem verzweifelten Simon Banker Geld geliehen hat und mit dem Doppelmord ein unmissverständliches Zeichen setzen wollte?
Dann würden auch Zweitfrau Cornelia König (Lisa Martinek) und ihr Sohn Florian (Jonas Meyer) in Lebensgefahr schweben. Die Ermittler Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) sind bald zwischen den beiden Aufgaben aufgerieben, den untergetauchten Banker dingfest zu machen und zugleich dessen Verbindungen zur kalabrischen Mafia nachzuspüren.
Dieser „Tatort“ will viel – und erreicht alles: Vom dysfunktionalen sozialen Umfeld des Banker wird hier gekonnt der Bogen zur Ehrenwerten Familie geschlagen, von legalen Spekulationsspielchen geht es zügig zum Organisierten Verbrechen. Regisseur und Autor Martin Eigler („Solo für Schwarz“) ist eben der große Stilist und Detailarbeiter unter den Krimi-Machern des Landes; hier gelingt es ihm nun, dem bis vor kurzem lediglich gewollt modern daherkommenden Stuttgarter „Tatort“ tatsächlich ein zeitgemäßes Update zukommen zu lassen. Alle bösen Worte gegen die 2008 angetretenen Stuttgarter Kommissare sind hiermit zurückgenommen!
Eiglers Erfolgsrezept für diesen schwäbischen Ausnahme-„Tatort“ liegt darin, präzise Polizeiarbeit und genaue Mafia-Recherche mit einem gewagten, aber glaubhaften Familien- und Finanzmelodram zu verbinden. Wie der angeschlagene Marc Simon hier um seine Restwürde und seine Restfamilie gleichermaßen kämpft, ist frei von jeder zynischen Attitüde gegen den einstigen Gernegroß.
Auch ein kleines erzählerisches Kunststück: Wann haben wir denn das letzte Mal mit einem Banker mitgelitten?
„Tatort: Blutgeld“, Sonntag 20.15 Uhr, ARD
Leser*innenkommentare
Elitepartner
Gast
Im Großen und Ganzen war der Tatort recht sehenswert. Was mich etwas störte, war, wie der entführte Junge am Ende bei dem Wohnhaus der Familie des Mafiachefs auftauchen konnte.
Dieser hatte seinen Killern am Telefon lediglich die Worte "it's over" durchgegeben. Woher sollten die dem entnommen haben, das der Junge dorthin zu bringen sei?
Theoretisch konnten sie gar nicht wissen, daß der Mafioso sich dort aufhielt und sich da gerade ein Geiseldrama abspielte!
Das war leider nicht stimmig.
Thomas Milkor
Gast
Aus meiner Sicht war der Tatort wirklich sehenswert. Die sehr positive Rezension hat der Film mE durchaus verdient.
liebherr
Gast
Der Tatort hat mir nicht gefallen.
Der Fall an sich war nicht schlecht, leider aber anfangs zu zäh inszeniert - und am Ende störte mich die Kamera mit ihren Zooms - so was billig technische habe ich bisher noch nicht beim Tatort gesehen.
Wolfgang
Gast
Leider gab's bei der Ausstrahlung einen technischen Wermutstropfen - das versprochene Dolby Digital 5.1 fand nicht statt - siehe:
http://fastvoice.net/2010/04/26/tatort-stuttgart-wenns-bei-surround-sound-mal-gar-nicht-rund-geht/
Gerald Mann
Gast
Na endlich ist es wieder soweit. Ein neuer Tatort wird gesendet. Ich habe gerade das Vorschauvideo hochgelanden: http://tatort-fans.de/tatort-folge-762-blutgeld/ .
Es scheint richtig spannend zu werden. In Vorfreude euer Tatort Fan Gerald
Scream Queen
Gast
Gibt's eigentlich irgendwas im deutschen Kino oder Fernsehen, das Christian Buß nicht großartig, fantastisch und herausragend oder doch wenigstens gediegen, gelungen und alles in allem ziemlich prima findet? Diese ganz und gar unkritischen Jubelarien auf noch den hinterletzten drögen, piefigen, wo nicht gleich vollkommen danebenen Schmarrn in der taz und bei SPON sind auf die Dauer wirklich unerträglich.