Streit der Woche zu Verhütung: Pillenerfinder kritisiert Kirche

Brauchen wir die Pille noch? Mehr denn je, sagt die "Mutter der Pille", Carl Djerassi. Die Kirche solle Südamerikanerinnen ermutigen, sie zu nehmen.

Wurde wild debattiert: die Pille im "Streit der Woche". Bild: dpa

BERLIN taz | Der Erfinder der Antibabypille, Carl Djerassi, hat von der katholischen Kirche eine andere Haltung zu dem Verhütungsmittel verlangt. Die Zahl der illegalen Abtreibungen sei in den katholisch geprägten Ländern Lateinamerikas weltweit eine der höchsten, schreibt er im „Streit der Woche“ der sonntaz.

„Und diese skandalöse Situation in Lateinamerika würde sich verbessern, wenn sie ermutigt würden, effektive Verhütungsmittel wie die Pille zu nutzen. Tut die katholische Kirche das nicht, macht es früher oder später die Gesellschaft."

Djerassi lehrt an der Stanford University in Kalifornien. Er nennt sich selbst in seiner Autobiographie "die Mutter der Pille". Bereits 1951 gelang ihm die Synthetisierung des Progesteron-ähnlichen Steroids Norethindron, das in der Folge zur Grundlage des ersten oralen Kontrazeptivums wurde. Am 9. Mai 1960 wurde die erste Pille in den USA zugelassen.

50 Jahre nach ihrer Zulassung habe die Pille eine größere Bedeutung als je zuvor, schreibt Djerassi, der in der Nazizeit von Österreich in die USA auswanderte. Der Pillenerfinder kritisiert, dass die pharmazeutische Industrie das Interesse verloren habe, grundsätzlich neue Verhütungsmethoden für Frauen und Männer zu entwickeln. „Sie richtet den Blick voll und ganz auf die Krankheiten in den reichen, alternden Ländern“, schreibt Djerassi in der sonntaz.

„Bayer Schering Pharma hat den Anspruch, Frauen eine große Vielfalt an unterschiedlichen Pillen, aber auch anderen Verhütungsmitteln anzubieten – die zu den jeweiligen individuellen Ansprüchen, Lebensphasen und medizinischen Bedürfnissen passen“, sagte Bayer-Sprecherin Friederike Lorenzen taz.de. Die Pille gehöre zu den weltweit am besten erforschten Medikamenten. Cornelia Burgert vom Feministischen Frauen Gesundheitszentrum Berlin sagte taz.de dagegen: „Aus der vermeintlichen Befreiung durch die Pille ist ein Zwang geworden, sie wird heute vonm Pharmaindustrie und GynäkoloInnen so massiv vermarktet, dass es kaum noch Alternativen zu geben scheint“. Burgert fordert eine stärkere Propagierung nebenwirkungsfreier Verhütungsmittel wie Diaphragma und Portiokappe.

„Wie wäre es mit einer Quote für die Pille? Die gynäkologische Praxen, besorgte Mütter und engagierte Medien davon abhält, jedem jungen Mädchen automatisch zum ersten Lippenstift ein hormonelles Verhütungsmittel in die Schultasche zu packen“, schlägt vor, Co-Autorin des Buches „Wir Alphamädchen“.

Im "Streit der Woche" debattieren außerdem SPD-Vize Manuela Schwesig, die eine Gratis-Pille für Bedürftige fordert, Felicitas Rohrer, die durch die Einnahme der Pille fast gestorben wäre, der deutsche „Sexpapst“ Oswalt Kolle, der Herausgeber des unabhängigen „arznei-telegramms“, Wolfgang Becker-Brüser, die Frauenärztin Gabriele Marx, die die Pille nicht mehr verschreibt, und taz.de-Leser Michael Mander.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.