Braucht Deutschland Killerdrohnen?
Ja

KRIEG Verteidigungsminister de Maizière will bewaffnete Drohnen. Präzise Einsätze, sagen die einen, Töten per Joystick die anderen

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Michael Wolffsohn, 65, lehrte an der Universität der Bundeswehr München

Kein Krieg. Das muss das Ziel jeder Politik sein. Was aber, wenn doch Krieg ist? Dann muss Menschlichkeit trotz und in der Schrecklichkeit gewahrt werden. Das bedeutet: Die Zahl der Opfer auf beiden Seiten muss auf ein Minimum beschränkt werden. Wie ist das zu erreichen? Durch Präzision. Das heißt: Der Angreifer oder Drahtzieher sei zu treffen. Aber bei einem Einmarsch kämen vor allem Unschuldige ums Leben. Deshalb sind die Artillerie oder Luftwaffe keine Lösung, denn sie zielen ungenau. Wenn beispielsweise die Hamas aus Gaza-Palästina Raketen auf das israelische Zivil feuert, ist es unmöglich, aus der Sicht Israels nichts tun. Aber ein Artilleriebeschuss auf Gaza wäre inakzeptabel, weil dabei vor allem das Zivil Gazas getroffen würde. Das gilt auch für den Einsatz der Luftwaffe oder der Panzer und Infanterie. Also Drohnen. Die können Drahtzieher, Verursacher und Angreifer genau orten und präzise auf sie zielen. Falsch, kontern manche, und weisen auf häufige zivile „Kollateralschäden“ hin. Ja, es gibt sie. Aber sie gehören meistens zum unmittelbaren zivilen (eher scheinzivilen) Umfeld der Drahtzieher oder werden von diesen als Geiseln missbraucht. Folglich ist der Drohneneinsatz die menschlichste der unmenschlichen Waffen.

Roderich Kiesewetter, 49, Generalstabsoffizier und CDU-Bundestagsabgeordneter

Je vielseitiger die Drohnen einsetzbar sind, umso besser ist der Schutz deutscher Soldaten. Bei unseren Auslandseinsätzen hat dieser Schutz oberste Priorität. Ich kann die drohnenkritische Besorgnis zum Teil verstehen, aber die Entscheidung über den Einsatz der Waffen liegt weiterhin beim Menschen. Ich sehe somit keine ethische Differenz gegenüber einem bemannten Fluggerät. Allerdings wird es durch die technische Neuerungen wie Drohnen immer wichtiger, in der Ausbildung darauf zu achten, dass keine emotionale Distanz entsteht. Heute sind weniger Soldaten im Einsatz. Sie tragen aber große Verantwortung. Beim Thema Drohnen müssen wir uns auch im Klaren darüber sein, dass viele Staaten bereits in einen Beschaffungsprozess eingestiegen sind, dass wir im Einsatz also bei Partnern und Gegnern mit Drohnen rechnen müssen. Wichtig ist, dass wir diese Entscheidung zuvor völkerrechtlich eindeutig prüfen. Das ist erfolgt: Verteidigungsminister de Maizière hat klargestellt, dass ohne Bundestagsmandat keine Drohne zum Einsatz kommt. Als Bundestagsabgeordnete werden wir mit besonderer Verantwortung auf die Einhaltung der notwendigen Leitplanken beim Drohneneinsatz achten.

Rainer Stinner, 65, ist verteidigungspolitischer Sprecher der FDP im Bundestag

Die Einführung bewaffneter Drohnen ist international nicht aufzuhalten. Sie haben große militärische Vorteile: Schutz der eigenen Soldaten, präzisere Wirkungsmöglichkeit sowie verkürzte Zeit zwischen Aufklärung und militärischer Wirkung. Zur Ethik: Auch bei dem Einsatz von bewaffneten Drohnen entscheidet immer ein Mensch, ob dieses militärische Mittel eingesetzt wird. Der Vorwurf, hier würde in Video-Spiel-Manier spielerisch Krieg geführt und die Hemmschwelle sinken, ist falsch. Auch heute werden viele Waffen durch Entscheidungen am Bildschirm eingesetzt, z. B. bei dem Einsatz von Flugabwehrraketen oder Torpedos auf U-Booten. Von Gegnern des Drohneneinsatzes wird das Bild „des edlen Kampfes Mann gegen Mann“ beschworen, bei dem der technologische Vorteil ein moralischer Nachteil ist. Dieses Bild ist spätestens seit der Einführung von Pfeil und Bogen überholt. Die rechtlichen und moralischen Grenzen für den Einsatz von Drohnen unterscheiden sich in keiner Weise von denen für bemannte Flugzeuge. Ein Einsatz ohne völkerrechtliche Grundlage und Mandat des Deutschen Bundestags bleibt ausgeschlossen. Deshalb bin ich grundsätzlich für die Beschaffung von bewaffneten Drohnen.

Nein

Claudia Haydt, 46, Religionswissenschaftlerin, ist Trägerin des Aachener Friedenspreises 2011

Drohnen ermöglichen neue Einsatzszenarien: Sie vermitteln die Illusion von sauberen und gewinnbaren Kriegen. Sie sorgen durch zahlreiche zivile Opfer und tagelange Präsenz jenseits erklärter Kriegsgebiete für die Traumatisierung ganzer Bevölkerungsgruppen und schaffen so die Gegner von morgen. Schon heute verschwimmt beim Einsatz von Drohnen die Trennlinie zwischen Militär und Geheimdienst. Ein Verdacht kann so schnell zum Todesurteil werden – demokratische Kontrolle ist nahezu ausgeschlossen. Durch die USA, Großbritannien und durch Israel wurden bereits Präzedenzfälle für den Einsatz von fliegenden Todesschwadronen geschaffen. Angesichts der beginnenden globalen Erosion von Völker- und Menschenrechten ist eine Aufrüstung der Bundeswehr mit Kampfdrohnen das denkbar falscheste Signal. Wenn es nicht bald gelingt, eine globale Ächtung von bewaffneten Drohnen durchzusetzen, droht ein verheerendes neues Wettrüsten.

Agnieszka Brugger, 28, ist verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen

Beim Einsatz von Drohnen besteht die Gefahr, dass die Hemmschwelle zur Anwendung militärischer Gewalt drastisch sinken wird. Der Einsatz von bewaffneten Drohnen erscheint als risikoloses Mittel. Gerade in politischen Entscheidungen kann die berechtigte Zurückhaltung gegenüber dem Einsatz militärischer Gewalt massiv sinken. Das zeigen die völkerrechtswidrigen gezielten Tötungen durch Drohnenangriffe, die von den USA im Rahmen der Terrorismusbekämpfung eingesetzt wurden. Diese lösen keine Konflikte, sondern tragen zur weiteren Eskalation bei, indem sie die Rekrutierung neuer Kämpfer in terroristischen Netzwerken vorantreiben. Außerdem droht eine unkontrollierte Aufrüstungsspirale, immer mehr Staaten werden bewaffnete Drohnen erwerben wollen. Deutschland braucht keine Kampfdrohnen. Wir brauchen vielmehr dringend völkerrechtliche Regeln, die Einsatz und Verbreitung dieses neuen Waffensystems Grenzen setzen.

Andrej Hunko, 49, sitzt seit 2009 für die Partei Die Linke im Deutschen Bundestag

Kampfdrohnen sind Killerwaffen und müssen geächtet werden! Das war meine Schlussfolgerung aus der Debatte, die durch die Antwort auf meine kleine Anfrage im Bundestag angestoßen wurde. Ein wichtiges Detail ging dabei allerdings verloren: Die Bundesregierung täuscht die Öffentlichkeit, indem zunächst die Spionage aus der Luft in den Vordergrund gerückt wird. Mittelgroße Aufklärungsdrohnen, die ab 2016 angeschafft werden, sollen nämlich später bewaffnet werden. Diese Drohnenstrategie der Bundesregierung ist für die europäische Rüstungsindustrie ein Milliardengeschäft. Dies wird von der EU-Kommission ausdrücklich betont, wenn sie dafür wirbt, große Drohnen ab 2016 in den allgemeinen zivilen Luftraum zu integrieren. Dann könnten die Flugroboter auch in Berlin-Schönefeld stationiert werden.

Melanie Kuhn, 19, ist Studentin und hat die Streitfrage per Mail kommentiert

Bewaffnete unbemannte Drohnen, per Joystick gesteuert, hören sich nach Computerspiel an. Wenn aus Krieg ein Spiel wird, ist eine Grenze gefährlich überschritten. Für das eigene Land sind sie nach eigener Darstellung Helden, in Wahrheit werden Zivilopfer außerhalb aber einfach in Kauf genommen. Menschlich war Krieg nie, aber wenn ein Leben nur als Punkt auf dem Bildschirm erscheint, mit nur einem Knopfdruck beendet werden kann, und das weit vom Geschehen entfernt, dann ist es endgültig: Menschlichkeit – Game over!