Szenarien für die wichtigsten Ministerien: Sparen bis es quietscht

Der Bund muss zehn Milliarden Euro einsparen oder auftreiben. Welche Folgen hätte das für die fünf wichtigsten Ministerien? Pläne, Ideen und deren mögliche Folgen.

Selbst drei pralle gefüllte Sparschweine würden nicht helfen: Dem Bundeshaushalt fehlen zehn Milliarden Euro. Bild: dpa

Um die maroden Finanzen des Bundes zu sanieren, gibt es zwei Möglichkeiten: Einnahmen erhöhen oder Ausgaben kürzen. Oder beides. Zur Kabinettsklausur am Wochenende analysieren vier taz-Autoren die wichtigsten Ministerien.

Von der Leyen: Kürzen bei Hartz IV

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik für Hartz-IV-Empfänger sparen. Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung teilte die Ministerin am letzten Freitag mit, die "am wenigsten wirksamen Maßnahmen müssen gestrichen werden". Das könnte etwa ein Fünftel aller Maßnahmen betreffen. Allerdings würden Einsparungen erst in den nächsten Jahren greifen, betont von der Leyen.

Zur Debatte steht auch eine Pauschalierung der Unterkunfts- und Heizkosten für Hartz-IV-Empfänger. CDU und FDP hatten sich bereits im Koalitionsvertrag geeinigt, diese Möglichkeit zu prüfen. Den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung will von der Leyen nicht höher als auf 3,0 Prozent steigen lassen. Die Erhöhung von derzeit 2,8 auf 3 Prozent zum 1. Januar 2011 wurde noch von der großen Koalition vereinbart.

Im 146 Milliarden Euro großen Gesamtetat des Bundesarbeitsministeriums schlägt die aktive Arbeitsmarktpolitik für Hartz-IV-Empfänger mit rund 10 Milliarden Euro zu Buche. Würde ein Fünftel der Maßnahmen gestrichen, wären theoretisch Einsparungen von rund 2 Milliarden Euro möglich. Es gibt jedoch noch keine Informationen darüber, bei welchen Posten, darunter die Förderung zur beruflichen Weiterbildung, Sonderprogramme für Jugendliche oder Geringqualifizierte oder kurzfristige Maßnahmen wie Bewerbungstrainings, gespart werden soll.

Als direkte Folge von Sparmaßnahmen, davor warnt auch die Bundesagentur für Arbeit, könnten weniger Menschen in Arbeit vermittelt werden - und damit höhere Kosten durch mehr Arbeitslose entstehen. Über Einsparungen durch die Pauschalierung von Wohnkosten liegen keine Berechnungen vor. Die Anhebung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung um 0,2 Prozent dürfte rund 1,6 Milliarden Euro mehr in die Kassen spülen.

Schäuble: Steuereinnahmen erhöhen

Fast alle Fraktionen fordern eine Finanztransaktionssteuer. Nur die FDP ist noch dagegen. Diese Steuer würde 11,8 Milliarden Euro im Jahr einspielen. Das Problem: Eine Finanztransaktionssteuer funktioniert nur, wenn sie zumindest für den Euroraum gilt, am besten wäre eine internationale Vereinbarung. Doch sind Großbritannien und die USA bisher dagegen. Eine Alternative wäre die Finanzaktivitätssteuer, wie sie vom Internationalen Währungsfonds vorgeschlagen wird, die auf Gewinne und Boni erhoben wird. Sie dürfte deutlich weniger Geld bringen.

Einige FDP-Politiker wollen Hoteliers wieder mit dem vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent belasten. Seit Jahresbeginn zahlen diese nur noch 7 Prozent - was den Staat etwa 2 Milliarden Euro kostet. CSU-Chef Seehofer will jedoch für die Privilegien der Hoteliers kämpfen. In der FDP wird außerdem überlegt, weitere Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer abzuschaffen. So sei nicht einzusehen, dass Tierfutter nur mit ermäßigten 7 Prozent belastet wird, Babywindeln aber mit 19 Prozent. Näheres solle eine Regierungskommission klären.

Nach Medienberichten denkt die Regierung auch über eine höhere Tabaksteuer nach. Bisher bringt sie etwa 13,2 Milliarden Euro jährlich. Außerdem sollen Subventionen für die Wirtschaft gestrichen werden - welche, ist unklar. Die Opposition plädiert für einen erhöhten Spitzensteuersatz. Die Grünen wollen ihn von 42 auf 45 Prozent erhöhen, die SPD hat sich noch nicht festgelegt. Die Grünen wollen zudem eine einmalige Vermögensabgabe sowie eine Reform der Erbschaftsteuer.

Insgesamt dürften weitere Kürzungen im Staatshaushalt schwierig werden, da bereits in den vergangenen Jahren schon stark gespart wurde. Steuererhöhungen sind daher unumgänglich. Die Frage ist nur noch, wer dadurch belastet wird und wer geschont.

Röttgen: Druck auf Klima - und Atomkraftwerke

Das Umweltministerium spürte schon den Spardruck: Gegen den Willen von Minister Norbert Röttgen (CDU) wurden im Haushalt 115 Millionen Euro für die Förderung umweltfreundlicher Heizungen gesperrt. Auch für internationalen Klimaschutz wurde deutlich weniger Geld zur Verfügung gestellt als in Kopenhagen zugesagt. Das könnte sich im nächsten Jahr verschärfen: Der Chefhaushalter der Union, Norbert Barthle, hat bereits eine Überprüfung der gesamten Klimapolitik gefordert.

Parallel dazu gibt es in der Bundesregierung Überlegungen zu neuen Einnahmen im Umweltbereich. So ist im Gespräch, die Befreiung der energieintensiven Industrie von der Ökosteuer zu streichen. Diese Ausnahmen kosten den Staat bisher etwa 6 Milliarden Euro. Zudem denkt die Regierung offenbar ernsthaft über die bisher nur von der Opposition geforderte Brennelementesteuer nach. Mit dieser Steuer auf Atomkraftwerke könnte ein Teil der Zusatzgewinne abgeschöpft werden, die die Betreiber bei längeren Laufzeiten machen würden. Sie könnte mittelfristig bis zu 5,6 Milliarden Euro jährlich bringen, wie das Forum Ökologisch-soziale Marktwirtschaft ermittelte.

Einsparungen beim Klimaschutz sind nach Ansicht von Experten kontraproduktiv. Zum einen lösen die Zuschüsse für neue Heizungen etwa private Investitionen aus, die mehr Steuern einbringen, als die Zuschüsse kosten. Zum anderen sind die langfristigen Schäden deutlich höher als die Kosten für Klimaschutz. Umweltsteuern hingegen führen zu mehr Effizienz und reduzieren dadurch die CO2-Emissionen. 2009 wurden 54,3 Milliarden Euro Umweltsteuern eingenommen (taz vom 2. 6.). Eine Brennelementesteuer würde Stromkonzerne belasten, ohne den Strompreis zu erhöhen; zugleich könnte sie die Akzeptanz von Laufzeitverlängerungen erhöhen, fürchten Atomkraftgegner.

Ramsauer: Weniger Asphalt, mehr Maut

Mit gut 27 Milliarden Euro hat das Verkehrsministerium den drittgrößten Etat. Davon fließen bisher 4 Milliarden in Schienen, 5 Milliarden in Fernstraßen, 1 Milliarde in Wasserwege und 2 Milliarden in Bauprojekte. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat bisher keine eigenen Sparvorschläge vorgelegt. Kürzungen seien allenfalls durch das Verschieben von Vorhaben möglich, erklärte er. Möglicherweise trifft das auf den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses zu, für den der Bund 440 Millionen Euro zur Verfügung stellen will. Wo im Verkehrsbereich gespart werden könnte, ist offen.

Verkehrsverbände warnen vor Kürzungen bei der Schiene und fordern stattdessen die Streichung von Straßenneubauten. Durch den Verzicht auf 20 unsinnige neue Fernstraßen könnten Bund und Länder in den nächsten Jahren insgesamt 14 Milliarden Euro sparen, hat der Naturschutzbund ausgerechnet. Der Verzicht auf den umstrittenen unterirdischen Großbahnhof Stuttgart 21 würde dem Bund 1,2 Milliarden Euro bringen.

Spekuliert wird auch über eine Steigerung der Einnahmen aus dem Verkehrssektor: Nach Informationen der Rheinischen Post prüft der Bund eine Ausweitung der Lkw-Maut auf vierspurige Bundesstraßen, was jährliche Mehreinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe zur Folge hätte. Eine Maut für Pkws lehnt Ramsauer ab. Nach Informationen von Spiegel Online erwägt die Regierung zudem eine neue Steuer auf Flugtickets.

Viele der Vorschläge hätten für die Umwelt positive Auswirkungen: Durch die Ausweitung der Maut würde Lkw-Verkehr teurer und von Landstraßen vertrieben, eine Flugticketabgabe würde die Bevorzugung dieses Verkehrsmittels reduzieren, und das Berliner Schloss würde auch kaum vermisst. Gefahr droht vor allem bei Kürzungen im Schienenverkehr und bei der energetischen Gebäudesanierung.

Zu Guttenberg: Wehrpflicht ade?

Rund eine Milliarde Euro müssten aus dem 31 Milliarden Euro schweren Militäretat geschnitten werden, sagt Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Mittwoch ließ er bestätigen, dass die Aussetzung der Wehrpflicht durchgerechnet werde, was angeblich 400 Millionen Euro einbrächte. Sogar eine weitere Schrumpfung der Bundeswehr um 100.000 auf dann 150.000 SoldatInnen sei angedacht.

Als sicher kann gegenwärtig gelten, dass die zurzeit 390 Bundeswehrstandorte im Land weiter abgeschmolzen werden. Auch manches Rüstungsprojekt wird wohl aufgegeben - oder schrumpfen müssen. SPD-Verteidigungspolitiker Hans-Peter Bartels denkt hierbei zuerst an den Panzerabwehrhubschrauber Tiger, von dem 80 bestellt sind: "Aber diese Stückzahl stammt aus einer anderen Zeit." 3,5 der für den Tiger geplanten 5,1 Milliarden Euro seien schon weg, aber ein Teil der übrigen 1,6 Milliarden Euro wäre dann gerettet. Die Streichung des weithin für überflüssig gehaltenen Raketenabwehrsystems MEADS würde über viele Jahre hinweg Milliardenausgaben vermeiden helfen. Eine Reduzierung der Jagdgeschwader, die viele für überspezialisiert halten, könnte rund 3.000 teure Luftwaffendienstposten sparen.

Die Streichung von Bundeswehrstandorten führt zwar zu Empörung in den Regionen, die Ministerpräsidenten geben dies weiter. Doch ist die Schließung von über 100 Standorten seit 2004 reibungslos vonstattengegangen. Kürzungen bei Rüstungsprojekten laufen auf zähe Vertragsneuverhandlungen mit der Industrie hinaus. Streichungen etwa bei der Luftwaffe zugunsten des Heeres werden bei den Generälen der Teilstreitkräfte Aufstände hervorrufen. Die Abschaffung der Wehrpflicht wäre eine historische Entscheidung - und wird die Abschaffung des Zivildienstes nach sich ziehen, was ebenfalls 600 Millionen Euro brächte.

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