Das Schwein in Tora und Koran: Du bist, was du nicht isst

Im Islam und Judentum gilt das Schwein als unheilig – nicht nur, weil es sich im Dreck suhlt. Früher war der Verzicht auf das Fleisch eine Abgrenzung zu anderen Völkern.

Saustark: Das Schwein hat weder von jüdischen noch muslimischen Gläubigen was zu fürchten. Bild: dpa

BERLIN taz | Was hat das Schwein eigentlich falsch gemacht? In Saudi-Arabien und im Iran hat es grundsätzlich Einreiseverbot, in Israel darf es nicht den Boden berühren, sodass es nur auf Rollbrettern durch das Heilige Land fahren kann. Wieso die Tora und der Koran ausgerechnet das Schwein verbieten, wissen sogar die meisten Gläubigen nicht.

Jüdische und muslimische Gelehrte missbilligen das Schwein gleichermaßen für seine unreine Lebensweise. Unrein ist es ihrer Meinung nach, weil es sich gerne im Dreck suhlt, Krankheiten überträgt und Abfall, Aas und selbst die eigenen Exkremente frisst. Aber Ziegen und Hühner fressen in Notzeiten ebenfalls ihren eigenen Kot und können auch Krankheiten auf den Menschen übertragen und wurden trotzdem nicht verboten. Warum traf es also das Schwein?

Die schmuddelige Lebensweise der Schweine halten viele Wissenschaftler nicht für den Grund ihrer Unbeliebtheit. Sie haben andere Erklärungen. Zum Beispiel diese: Als Allesfresser konkurriert das Schwein in Zeiten der Not mit dem Menschen um Nahrung. Weil es außerdem keine Milch geben, keinen Pflug ziehen und niemand auf ihm reiten kann, nützt das Schwein wenig. Laut dem amerikanischen Anthropologen Marvin Harris verzichteten die Israeliten im Altertum deshalb schon vor dem Verbot auf die Schweinezucht.

Im frühen östlichen Mittelmeer bedeutete das eine klare Abgrenzung zu anderen Völkern. Den Israeliten kam das entgegen, weil sie sich als monotheistische Gemeinschaft von den polytheistischen Schweinefans um sie herum abgrenzen wollten. Auf den Verzicht folgte das Verbot des Schweinefleischs, das bis in die Gegenwart Gruppengefühl und Identität unter den Juden stiftet.

Der Islam übernahm diese Ernährungsvorschrift, um sich bewusst in die Tradition des Judentums zu stellen. Gleichzeitig entstand aber auch das muslimische Alkoholverbot zur Abgrenzung vom Judaismus, erklärt der Religionswissenschaftler Michael Blume. "Durch das, was wir nicht essen, zeigen wir Menschen einander an, woran wir glauben und was uns wichtig ist."

In den Jahrhunderten bis zur Entstehung des Christentums wuchs das Judentum zu einer der stärksten Religionen im Orient heran, gegen die sich die neu formierte Glaubensgemeinschaft der Christen durchsetzen musste. Also hob das Neue Testament die Ernährungsvorschriften einfach wieder auf.

Nur wenige gläubige Menschen kennen den Hintergrund oder die Entstehung ihres Nahrungsgebots. Aise Aikova von der Islamischen Gesellschaft Milli Görüs erklärt, dass "es ein eindeutiges Verbot im Koran ist und deswegen die Hintergründe auch nicht groß hinterfragt werden. Das ist auch Sinn und Zweck der Religiosität." Ähnlich sieht das der Münchener Judaist Korbinian Spann: "Den Ursprung der Nahrungsgebote kennt keiner so genau. Im Prinzip befolgt man sie, weil es einfach so ist."

Dieser Artikel entstand im Rahmen des 5. taz Panter Workshops, bei dem 20 Teilnehmer vier Seiten der Printausgabe zum Thema Wurst und Käse gestalteten.

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