Die Wahrheit: Meine Mondmission

Dank der Beziehungen, die meine Familie zur Geistlichkeit pflegte, bekam ich eine Anstellung auf einem der niederen Hühnermonde.

Nein, nicht auf einem der niederen Hühnermonde, Hühner sind jetzt durch, es muss heißen: auf einem der niederen Missionsmonde.

Die Reise dorthin möchte ich als langweilig bezeichnen. Zu gegebener Zeit landete ich mit einem dumpfen Gefühl nahe der Aufladestation für Missionare. Auf den Seitenwänden des dumpfen Gefühls stand in großen Buchstaben "Enter Sirup", und ich konnte mich sogar an seine Einweihung durch die Geistlichkeit erinnern. "Seht dies Mädchen mit seinem dumpfen Gefühl", hatte der Bischof zu den versammelten Festgästen und Schaulustigen gesprochen (er bezeichnete jeden als Mädchen), "zweifellos wird es damit noch weit kommen."

Nun war ich also nahe der Aufladestation für Missionare gelandet. Allmählich wich das dumpfe Gefühl, die Schrift verblasste, und ich fragte mich, wie ich wohl zur Erde zurückkehren sollte. Doch stellte ich diese Frage einstweilen zurück. Die Missionare empfingen mich mit ihrer Erkennungsmelodie "Wir sind die Missionare und tun das einzig Wahre". Mich überraschte wenig, dass sie dem Thema Mission besondere Wichtigkeit beimaßen. Sie waren davon überzeugt, es müsse Eingeborene auf dem Mond geben, hatten aber bis zum Zeitpunkt meiner Landung noch keinen einzigen zu Gesicht bekommen. "Sie verstecken sich", hieß es.

Durch meine Anstellung lernte ich den Alltag in der Aufladestation kennen und fiel ihm zwangsläufig anheim. Immer, wenn ein Tag vergangen war, wurde ein Gericht auf dem Speiseplan durchgestrichen. Bald schon fand ich heraus, dass nicht alles eitel Mission war. Es wurden zum Beispiel seltsame Tests durchgeführt, ohne dass die Probanden den Zweck erfuhren. Das bereitete den Boden für Gerüchte und wilde Spekulationen. "Die zeigen dir da Fotos von alten Frauen", wurde einem von Wichtigtuern zugeraunt, wenn man an der Reihe war. Wie sich dann allerdings erwies, entbehrten solche Klugscheißereien jeglicher Grundlage. Was mir gezeigt wurde, als ich zu so einem Test vorgeladen wurde, hatte überhaupt nichts mit Frauen zu tun, egal, welchen Alters. Mehr noch: Es hatte offenbar mit überhaupt nichts zu tun!

Doch ich greife vor. Bevor es begann, musste ich sehr befremdliche Kleidungsstücke anziehen, und dies erschien mir fast schlimmer, als mich ausziehen zu müssen. Weil ich aber hoffte, es würde der Reinigung meiner Seele dienen, ließ ich alles widerspruchslos geschehen. Sodann wurde ich von einer missionseigenen Wissenschaftlerin in einen speziellen Raum geführt. Durch eine Glasscheibe sahen die Missionare vom Nebenraum aus zu, wie mich die Wissenschaftlerin mit aus allerhand Schrott grob zusammengehauenen, teils dünnbeinigen Gegenständen konfrontierte, aus denen ganze Bündel meterlanger Kabel unkontrolliert heraushingen. Bei jedem einzelnen dieser Objekte wurde ich sehr sachlich gefragt: "Könnten Sie sich in so jemanden verlieben?"

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kari

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