Öko-Kriterien für Biokraftstoffe: Verzögert und verwässert

Die neuen Öko-Kriterien für Biokraftstoffe, die eigentlich ab Juli gelten sollten, sind auf Januar verschoben. Auf soziale Standards will die Branche komplett verzichten.

Bio-Zapfhahn an einer Tankstelle in Metzingen. Bild: ap

Seit dieser Woche sollte der sogenannte Biokraftstoff seinen Namen eigentlich wieder verdienen: Zum 1. Juli sollte in Deutschland eine Verordnung in Kraft treten, die strenge Kriterien an die Umwelt- und Sozialverträglichkeit von aus Pflanzen gewonnenem Benzin und Diesel anlegt. Doch auf Druck der Produzenten wurde die Einführung im Juni kurzfristig auf 2011 verschoben. Die Zeit bis dahin wollen die Hersteller nutzen, um ein eigenes Zertifikat zu entwickeln, das weniger strenge Anforderungen stellt als das von Politik und Umweltverbänden entwickelte.

Hintergrund der Debatte ist der Plan, auch in Verbrennungsmotoren nachwachsende Rohstoffe einzusetzen, um das Klimagas Kohlendioxid zu reduzieren. In Deutschland ist derzeit vorgeschrieben, dass 6,25 Prozent des Kraftstoffs für den Verkehr aus Pflanzen gewonnen werden muss. Bis 2020 soll dieser Anteil in der gesamten EU auf zehn Prozent steigen.

Um diese Quote zu erfüllen, wurde jedoch in zunehmendem Maß preiswertes Palmöl importiert; und um die wachsende Nachfrage zu bedienen, wurden beispielsweise auf Borneo mit großer Geschwindigkeit Regenwaldgebiete abgeholzt, um Palmöl-Plantagen anzulegen. Dadurch wurde in der Kohlenstoffbilanz viel mehr CO2 freigesetzt als später eingespart - die Idee also konterkariert.

Dieser Fehler soll mit der EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie behoben werden. Diese verpflichtet alle Nutzer von Agrokraftstoffe, nur noch solche Rohstoffe zu nutzen, die nachhaltig erzeugt wurden. Biomasse darf demnach nicht auf ökologisch wertvollen Flächen, wie Mooren oder Wäldern angebaut werden. Außerdem muss der Agrotreibstoff wenigsten 35 Prozent Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zu fossilem Treibstoff einsparen, und zwar über die gesamte Produktionskette vom Anbau bis zur Verbrennung.

In Deutschland wiederum war - noch von der großen Koalition - eine weitergehende Biokraftstoff-Verordnung verabschiedet worden, die im Juli in Kraft treten sollte. Zertifiziert wird dabei nach einem Verfahren, das die Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe entworfen hatte, die dem Bundeslandwirtschaftsministerium unterstellt ist. Beteiligt waren auch Umweltverbände wie der WWF: Herausgekommen ist das so genannte ISCC-Zertifikat. Dieses bezieht in den Produktionskreislauf auch soziale Standards wie etwa Produktionsbedingungen oder einen Mindestlohn mit ein. Die schwarz-gelbe Koalition verschob die Einführung Mitte Juni auf Januar 2011 - nach Ansicht der Grünen ein Zugeständnis an Importeure und Nutzer von Soja- und Palmölen.

Und diese nutzen die gewonnen Zeit in ihrem Sinn: Weil sie die Anfroderungen des ISCC-Zertifikats für "viel zu aufwendig" hält, arbeitet die Biokraftstoff-Industrie an einem eigenen Zertifikat, dem sogeannten REG-Cert. Dies verzichtet auf die Prüfung sozialer Standards, weil die in der EU ohnehin eingehalten werden müssten.

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