Internationales Frauenfußballturnier in Kreuzberg: Do you speak football?

Beim Frauenfußballfestival "Discover Football" ist nicht der Wettbewerb das Wichtigste, sondern steht der Austausch zwischen den Teams aus aller Welt. Klappt das?

Gespannt wartet Galia Elias auf den nächsten Schuss. Die zierliche Frau aus Israel sitzt mit ihrer Mannschaft am Spielfeldrand des Lilli-Henoch Sportplatzes am Anhalter Bahnhof. Das Spiel zwischen dem Berliner Team Al-Dersimspor und dem Masco HIV Aids Sports Project aus Sambia soll durch Elfmeterschießen entschieden werden. Doch es geht nicht weiter. Unschlüssig stehen die Spielerinnen in der Mitte des Feldes. Galia dreht sich verwirrt um. Über Lautsprecher wird erklärt, warum unklar ist, wer als nächstes schießen soll. Aber die Ansagen sind nur auf Deutsch. Eine andere Zuschauerin muss für die Frauen des israelisch-palästinensischen Peace-Teams übersetzen.

Eigentlich war Sprache für Galia bisher keine Hürde. Sie ist zum internationalen Frauenfußballturnier in Kreuzberg gekommen, um Spaß zu haben, sagt sie. Außerdem sei sie neugierig auf die anderen Frauen. Mit fast allen Teams hat sie in den vergangenen sechs Tagen Kontakt gehabt, sie wird jetzt ständig gegrüßt. Ihre Mitspielerinnen würden sich schon darüber lustig machen. "Sie nennen mich jetzt Galia international!"

Das Finale und das Spiel um Platz 3 finden heute auf dem Lilli-Henoch-Sportplatz am Anhalter Bahnhof statt. Um 14 Uhr kicken die "Quichua Gemeinschaft Saraguro" (Ecuador) gegen "Vojvodina & Friends" (Serbien) um den 3. Platz, der Turniersieg wird um 15.30 Uhr zwischen "Arkadia SC" (Paraguay) und dem "Masco HIV Sports Project" (Sambia) ausgefochten. Der Eintritt zum Finale ist frei.

Nach der Siegerinnenehrung spielt ab 20.30 Uhr die Neuköllner Band Orientation, und das Festival klingt ab 21 Uhr 45 mit einer Abschlussparty und DJ Marsmädchen aus.

Weitere Infos unter www.discoverfootball.de

Der neue Spitzname Galias verkörpert ziemlich genau, was sich Caroline von Brück von dem Treffen erhofft hat. Die Spielerin von Al-Dersimspor hat zwei Jahre mit ihren Teamkolleginnen daran gearbeitet, ein Turnier zu organisieren, bei dem es um mehr geht als um Fußball. "Discover Football" soll innerhalb einer Woche Begegnungen zwischen den Fußballerinnen aus aller Welt ermöglichen, auch außerhalb des Platzes. Am Donnerstag war erster Spieltag.

Die Teams sind nicht nur wegen ihres fußballerischen Könnens in Berlin, sondern weil sie in ihren Heimatländern unter erschwerten Bedingungen trainieren, wie etwa die afghanische Nationalmannschaft. Andere Teams wurden auch wegen ihres sozialen Engagements ausgewählt. Die sambischen Frauen etwa verknüpfen Fußball mit Aufklärung über HIV/Aids.

Dass nicht alle Frauen so unbeschwert Fußball spielen können wie von Brück und ihre Teamkolleginnen, haben die Spielerinnen aus Kreuzberg bei ihrer Begegnung mit der iranischen Frauennationalmannschaft erfahren. Al-Dersimspor spielte 2006 in Teheran gegen die Iranerinnen, das geplante Rückspiel in Berlin kam nicht zustande: Die Frauen durften nicht ausreisen. Die Erfahrung dieser Reise in dem preisgekrönten Dokumentarfilm "Football Undercover" zu verarbeiten, reichte den Frauen nicht.

"Discover Football" soll jetzt den Schwierigkeiten von Fußballerinnen ein positives Erlebnis entgegensetzen. Doch auch dieses Mal fehlen die Iranerinnen. Erneut wurde ihnen die Ausreise verwehrt. Und selbst in Deutschland kann Fußball nicht alles bewegen: Die Mitglieder des liberianischen Teams erhielten von den deutschen Behörden keine Visa.

Für die Organisatorinnen geht das Konzept trotzdem auf. Caroline von Brück wünscht sich, dass die Frauen, die es hierher geschafft haben, sich auch über ihre Probleme austauschen und voneinander lernen. "Sie sollen wissen, dass sie nicht alleine kämpfen", sagt die 35-Jährige.

Allerdings fällt das nicht allen so leicht wie "Galia International". Zoila Tene steht abseits des Spielfelds an einem Stand mit allerhand Merchandise-Artikeln des Turniers. Die Ecuadorianerin kramt in einer Kiste mit kleinen Fotostickern aller Teilnehmerinnen ähnlich den Panini-Bildchen. Mit kaum einer der Frauen, deren Konterfei sie in ihr Sammelalbum einkleben will, hat sie schon geredet. Sie würde gerne - aber sie spricht kein Wort Englisch. Auch auf dem Spielfeld wird nicht viel kommuniziert. Ist es denn zumindest anders, als gegen ecuadorianische Mannschaften zu spielen? Die 23-Jährige verneint. Einige Regeln unterschieden sich, ansonsten sei alles gleich. Dennoch habe ihr der Berlin-Trip viel gebracht: Andere Kulturen habe sie kennengelernt, neue Erfahrungen gemacht. Konkreter wird sie nicht.

Fußball als gemeinsame Sprache reicht offenbar nicht immer für die Verständigung abseits des Platzes. Trotz umfangreichen Rahmenprogramms wissen Galia und Zoila nicht viel voneinander. Auf dem "Pinken Sofa" nimmt zwar jede Mannschaft im Laufe des Tuniers einmal Platz und kann ausführlich von sich erzählen. Die Fragen stellen aber vor allem Journalisten.

Das Zusammenspiel der Frauen aller Teams funktioniert am besten, wenn sie nach den offiziellen Programmpunkten zusammenkommen und die Dinge einfach ihren Lauf nehmen. Beim Grillen im Tempelhofer Park zum Beispiel. Ihre Berliner Partnerteams haben die Frauen dorthin entführt. Fernab vom Turnierbetrieb können sie das riesige Feld mit eigenen Ideen füllen. Als die Sambiarinnen den anderen ihren Tanz beibringen, den sie als Motivation und Aufwärmübung tanzen, sind auch die Ecuadorianerinnen dabei.

Auf dem Spielfeld fällt endlich der entscheidende Treffer. Sambia zieht ins Halbfinale ein. Galia springt auf und jubelt, dann reiht sie sich in den sambischen Siegestanz ein. Singend und tanzend geht es gemeinsam über den Kunstrasen. Warum sie für die sambischen Frauen sei? "Die haben Spaß, genauso wie wir!"

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