Stress im Schwimbad: Manche kühlen lieber ihr Mütchen

Nach Prügeleien werden die Sommerbäder in Neukölln und Kreuzberg geräumt. Brennen jungen Männern bei der Hitze die Sicherungen durch? Sind Freibäder bald für alle anderen No-go-Areas? Die Berliner sehen das eher gelassen.

Die Idylle sieht manchmal nur, wer nach oben blickt. Bild: dpa, Fredrik von Erichsen

Der Bademeister sitzt zurückgelehnt auf seinem Wachturm und spult durch sein Megafon immer wieder die gleichen Sätze ab: "Runter von der Leine! Nicht von den Seiten springen!" Im Schwimmerbecken springen halbwüchsige Jungs trotzdem von den Längsseiten ins Becken und sitzen auf dem Abtrennseil zwischen Schwimm- und Springerbereich. Doch den Bademeister des Neuköllner Columbiabads kann an diesem Samstag nichts aus der Ruhe bringen, denn die Kids stören nicht wirklich jemanden. Wegen des zeitweiligen Regens sind nur etwa hundert Badegäste gekommen, vereinzelt liegen sie auf ihren bunten Handtüchern auf den Liegewiesen, gerade mal eine Handvoll Leute ziehen im großen Becken ihre Bahnen.

Noch eine Woche zuvor hatten hier bei Temperaturen von weit über 30 Grad Tausende von Leuten Abkühlung gesucht, die Stimmung war unter einigen Badegästen so aggressiv, dass die Wachleute das überfüllte Bad zwei Stunden vor Betriebsschluss mithilfe der Polizei räumen ließen. Am Freitagnachmittag mussten nun auch die Gäste des Kreuzberger Prinzenbads wegen einer Schlägerein vorzeitig gehen.

Der Sprecher der Berliner Bäderbetriebe, Matthias Oloew, erklärt die Prügeleien mit der Hitze: "Die Leute sind solche Temperaturen nicht gewohnt und werden aggressiv. Die Stimmung putscht sich dann hoch." Klaus Lipinsky, der Vorstand der Bäderbetriebe, appellierte am Samstag an die Berliner: "Wir sind besorgt und alarmiert. Behalten Sie trotz der Sommerhitze einen kühlen Kopf."

Sind Schwimmbadbesuche jetzt gefährlich? "Nein, die Zeitungen haben gleich von Massenschlägereien geschrieben, das muss man nicht alles glauben", sagt der Ticketverkäufer des Columbiabads. Nach Angaben der Polizei war bei dem Vorfall vor gut einer Woche ein Gast wegen der Hitze zusammengebrochen - es verbreitete sich jedoch das Gerücht, dass er durch einen Messerstich verletzt worden sei. Zudem kam es an mehreren Stellen des Bades zu Rangeleien und Streitigkeiten, bei denen zwei Sicherheitsleute verletzt wurden. "Bei Eintreffen der Polizei hatte sich die Situation schon weitgehend beruhigt, es war jedoch eine aggressive Stimmung spürbar und die Leitung des Bads entschloss sich, den Betrieb einzustellen", erklärte Polizeisprecher Thomas Goldack. Ähnlich war es beim Prinzenbad: Die Wachleute räumten, damit eine Schlägerei zwischen fünf Jugendlichen nicht ausuferte. Ein vierjähriges Mädchen war dabei leicht verletzt worden.

Die Räumung von Berliner Bädern ist ein Novum. "Es ist eine prophylaktische Maßnahme, durch den hohen Andrang kann es schwierig werden, Konflikte unter Kontrolle zu bringen", erklärte der Bäderbetriebe-Sprecher Oloew. Jetzt müsse aber geprüft werden, ob die beiden Räumung wirklich notwendig waren. Zunächst seien sie auf alle Fälle erfolgreich gewesen, weil so niemand ernsthaft verletzt worden sei. "Die letzten Sommer war es ruhiger, weil es nicht so heiß war. Jetzt müssen wir herausfinden, ob eine Räumung der Weisheit letzter Schluss ist", so Oloew.

"Hier sorgen immer wieder dieselben Pappenheimer für Ärger", erzählt einer der Sicherheitsleute im Neuköllner Sommerbad. Jugendliche würden von den Seiten springen, weibliche Badegäste belästigen und Leute provozieren. Prügeleien müssten andere Badegäste jedoch nicht befürchten. "Die greifen eher uns an", sagt der Wachmann. Im Columbiabad und im Prinzenbad ist das Wachpersonal nach den Räumungen von acht auf zwölf Mitarbeiter pro Schicht verstärkt worden.

"So schlimm, wie jetzt alle sagen, ist es nicht", erzählen drei Mädchen in der Umkleide, die im Columbiabad ihre Ferien verbringen. "Die Emotionen kochen halt über bei den Temperaturen, das ist überall in der Stadt so", sagt auch eine Kreuzbergerin, die jeden Vormittag zum Schwimmen ins Neuköllner Sommerbad kommt.

Fest steht: Zumeist zetteln Jugendliche die Auseinandersetzungen an. Dass es sich dabei immer um Jugendliche mit Migrationshintergrund handelt, will Oloew dagegen nicht bestätigen. Und nicht nur in Kreuzberg und Neukölln geraten Halbstarke aneinander: "Auch in Wilmersdorf haben sich schon junge Leute geprügelt." In Pankow habe es vor einigen Jahren Kämpfe zwischen Weddinger und Pankower Jugendlichen. "Wir betreiben Schwimmbäder und keine Erziehungsanstalten und können Defizite aus Elternhäusern und Schulen nicht ausgleichen", so Oloew. Derzeit haben 300 Berliner bei den Bäderbetrieben Hausverbot.

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