Berlin schwitzt (II): Gärtner haben Schwein

Mauersegler fallen aus dem Nest, Waschbären werden lethargisch und Wildschweine erobern sich die privaten Gartenflächen in der Stadt: Auch die Tierwelt hat unter den hohen Temperaturen zu leiden.

Wenn das Telefon klingelt und ein aufgeregter Bürger erzählt, er habe ein Faultier gesehen, weiß Derk Ehlert: Es ist Sommer in Berlin. "Viele Tiere werden müde und matt", sagt der Mitarbeiter der Jagdbehörde. "Wenn sich beispielsweise Waschbären auf schattige Bäume zurückziehen, rufen oft Anwohner an und meinen, sie hätten ein Faultier gesehen." Zwar handele es sich dabei durchaus um faule und antriebslose Tiere, "mit Faultieren haben sie allerdings wenig zu tun", sagt Ehlert.

Nicht nur den Menschen machen die hohen Temperaturen der letzten Wochen zu schaffen, auch immer mehr Tiere wollen Kühlung. So auch die Wildschweine. "Aufgrund der großen Hitze suchen sie vermehrt nach Feuchtigkeit und Nahrung", so Ehlert. "Durch die Bewässerung in der Stadt können die Schweine das Futter im Boden besser riechen. Im Wald gibt es keine Bewässerung, dort ist der Boden trocken." Deshalb zieht es die Tiere aus ihrem natürlichen Lebensraum in private Grünanlagen. Dort graben sie auf Futtersuche Rasenflächen um. "Gartenbesitzer sollten ihre Grundstücke zur Sicherheit einzäunen und regelmäßig kontrollieren", so Ehlert. "Oft suchen die Wildschweine auch an Badeseen in Waldnähe Abkühlung. Dort kommt es dann, beispielsweise während der Dämmerung, zur Konfrontation von Vier- und Zweibeinern." Wer den Tieren begegnet, sollte Ruhe bewahren, informiert die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Wildschweine greifen kaum Menschen an, den Tieren sollte immer die Möglichkeit zum Rückzug gegeben werden.

Wie die Wildschweine suchen auch Mauersegler, eine schwalbenähnliche Vogelart, Zuflucht vor der Hitze - allerdings ohne Happy-End. Die Vögel nisten in hoch gelegenen Brutplätzen, beispielsweise unter Dachziegeln. Dort herrschen im Sommer bis zu 50 Grad: "Die noch nicht flüggen Jungen versuchen, sich vor der Hitze ins Freie zu retten und fallen dann häufig auf den Boden", informiert die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Das Problem kennt auch Ehlert. "So einen starken Ausflug von Mauersegler-Jungen konnte man lange nicht mehr beobachten", sagt er. Laut einer Erklärung des Naturschutzbundes (NABU) Berlin haben in den letzten Tagen hunderte Mauersegler ihre Nester verlassen. Theoretisch müsse man die Vögel zurück in das Nest bringen, was aber durch die großen Höhen unmöglich ist. "Oftmals werden die Tiere ehrenamtlich aufgenommen und gefüttert. Mehr als 100 Tiere sind bereits untergebracht", sagt Ehlert.

Laut NABU sind die Aufnahmestationen bereits überlastet - die Senatsverwaltung habe inzwischen 3.500 Euro als Nothilfe für Personal, Futter und Fahrtkosten bereitgestellt, um weitere Vögel auffangen zu können. "Die Versorgung eines jungen Mauerseglers bis zur Wiederauswilderung ist zeitaufwändig und nicht ohne Training im Umgang mit den Tieren zu bewerkstelligen", sagt André Hallau, Leiter der Berliner Wildtierpflegestation von NABU und Aktion Tier. Der NABU sei angesichts der Situation für weitere Helfer dankbar. Entscheidend sei besonders die sichere Finanzierung. "Wir freuen uns über jede Spende, die wir für die Vögel einsetzen können", so Hallau. Wie groß die Populationen von Wildschweinen, Waschbären und Mauerseglern im Stadtgebiet sind, kann laut Jagdbehörde nicht festgestellt werden.

Während die Tiere Zuflucht vor der Hitze suchen, wird die gefürchtete Miniermotte erst richtig aktiv. Die südostasiatische Schmetterlingsart befällt auch in diesem Jahr Kastanienbäume - allerdings rund vier Wochen früher als in den Vorjahren. "Wir werden schon Ende Juli entlaubte Bäume haben", sagt Barbara Jäckel vom Berliner Pflanzenschutzamt. Grund seien die günstigen Witterungsbedingungen, die Motte findet nach strengem Winter und großer Hitze die besten Bedingungen vor. "Mottenfallen nützen nichts", so Jäckel. Es zeige sich aber, dass Laubsammeln im Herbst hilft, den Schädling bis zum nächsten Sommer wieder zurückzudrängen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.