Zwischen Saale und Elbe: Kanal für eine Handvoll Schiffe

Sachsen-Anhalts Landesregierung will Saale und Elbe möglichst schnell mit einer künstlichen Wasserstraße besser verbinden. Einen Bedarf dafür gibt es nicht.

Die Elbe bei Schönebeck. Bild: Tim Lehmann – Lizenz: CC-BY-SA

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) macht es dringend: Der Saalekanal sei extrem wichtig für die Binnenschifffahrt und müsse jetzt unbedingt begonnen werden, fordert er in einem Brief an Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Noch in diesem Jahr soll das Planfeststellungsverfahren vorbereitet werden, will die Magdeburger Volksstimme aus dem Bundesverkehrsministerium erfahren haben.

Der Kanal soll größeren Schiffen die Einfahrt von der Elbe in die Saale ermöglichen, deren Mündung bisher zu kurvig ist. Die Kosten des Projekts kalkuliert die Wasserstraßendirektion gegenwärtig mit 100 bis 150 Millionen Euro, im Bundesverkehrswegeplan 2003 war noch von 80 Millionen Euro die Rede. Der Grund für die Preissteigerung ist die Verlängerung von ursprünglich 7,5 auf 10 Kilometer, weil eine Kiesgrube ausgeweitet wurde und nun eine längere Streckenführung nötig wäre. Infolgedessen müssten nun auch eine Landstraße, Gas und Wasserleitungen verlegt werden.

Beschäftigungsmaßnahme

Ob die Beamten all diese Folgekosten bereits einberechnet haben, kann das Bundesverkehrsministerium allerdings nicht sagen, wie aus einer kleinen Anfrage der Linken an die Bundesregierung hervorgeht. Auch dass auf der Elbe heute nur 6 Prozent des Verkehrs abgewickelt wird, der den Ursprungsplanungen zugrunde liegt, ficht die Ministerialen nicht an: Sie behaupten weiter, dass der volkswirtschaftliche Nutzen eines Saaleausbaus die Investitionskosten in jedem Fall übersteigt.

Im Hintergrund der geplanten Schildbürgerei auf Kosten der Steuerzahler steht eine gigantische Behörde: die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, die 13.000 Staatsdiener beschäftigt und darüber hinaus immer gleichen Forschungseinrichtungen lukrative Aufträge verschafft. Vor allem das Planco-Institut aus Essen liefert regelmäßig Verkehrsbedarfsprognosen.

Obwohl sich die Schifffahrtsbehörden am Vorbild Autobahn orientieren, seit Jahrzehnten Schleusen bauen und Flüsse vertiefen, werden immer weniger Güter per Binnenschiff transportiert. Lag der Marktanteil Ende der 90er Jahre noch bei 13,5 Prozent, so dümpelt er inzwischen bei unter 10 Prozent. Außer am Rhein, auf dem fast vier Fünftel der Schiffstransporte abgewickelt werden, ist auf deutschen Flüssen nur selten irgendwo ein Frachtschiff anzutreffen.

Weil die Behörde nicht einmal für Hochwasserschutz zuständig ist, hängt ihre Existenzberechtigung am Neu- und Ausbau von Schifffahrtswegen. Allein an der Elbe hat sie 2009 36 Millionen Euro versenkt - bei 0,9 Millionen Tonnen Fracht. Anders gesagt: Der Staat subventioniert jede auf der Unterelbe transportierte Tonne mit 40 Euro.

Für den Saaleausbau zuständig wäre das Wasserstraßenneubauamt in Magdeburg, das nach dem Bau einer Trogbrücke über die Elbe vor etlichen Jahren endlich eine neue Existenzberechtigung sucht. Als Begründung für den Ausbau dient der angeblich hohe Verkehrsbedarf der Region Halle. Dort existiert ein für 30 Millionen Euro errichteter Hafen, in dem in den vergangenen vier Jahren allerdings nicht ein einziges Frachtschiff festgemacht hat. Umgeladen wird dort ausschließlich vom Lkw auf die Schiene und umgekehrt.

Logistikexperten bezweifeln, dass sich nach dem Bau des Saalekanals etwas ändern würde, weil dann zwar die Saale für Europaschiffe passierbar wäre, die sich anschließende Elbe aber an vielen Tagen im Jahr weiterhin nicht. Weil Transporteure auf eine längerfristige und zuverlässige Planung angewiesen sind, werden sie lieber weiter auf Brummi und Bahn setzen, so die Vorhersagen.

Filzige Behörde

So erscheint der geplante Saaleausbau als extrem teure und umweltzerstörende Beschäftigungstherapie für Staatsdiener und als Versuch der Landesregierung in Magdeburg, der Bauindustrie eine Sonderkonjunktur zu verschaffen. Sollte das Planfeststellungsverfahren tatsächlich eingeleitet werden, sieht Paul Dörfler vom Bund für Umwelt und Naturschutz schwarz: "Beim Wasserstraßenbau ist die Planungs-, Genehmigungs- und Baubehörde identisch."

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