Erinnerung an Maueropfer: Eine Allee gegen das Vergessen
Chris Gueffroy wurde 1989 an der Berliner Mauer erschossen. Zum Jahrestag des Mauerbaus wird eine Straße nach Gueffroy benannt.
Am 49. Jahrestag des Mauerbaus wird dem letzten Berliner Mauertoten eine Straße gewidmet. Die Britzer Allee in Treptow-Köpenick wird am heutigen Freitag in Chris-Gueffroy-Allee umbenannt. Die Straße überquert den Britzer Verbindungskanal, den ehemaligen Grenzstreifen, wo der 20-Jährige wenige Monate vor dem Fall der Mauer erschossen wurde.
In der Nacht vom 5. auf den 6. Februar 1989 klettern Gueffroy und sein 21-jähriger Freund Christian Gaudian unbemerkt über die Hinterlandmauer; das nächste Hindernis, der Signalzaun, löst ein Signal aus, das die Grenzsoldaten alarmiert. Als sie den Streckmetallzaun erreichen, die letzte Barriere vor dem Kanal, eröffnen die Soldaten das Feuer. 21 Schüsse fallen, zehn davon treffen Gueffroy. Wenige Minuten später ist er tot.
Seine Mutter, Karin Gueffroy, wird dabei sein, wenn die Treptower Bürgermeisterin Gabriele Schöttler (SPD) um 11 Uhr die Straßenschilder enthüllt. Es wird sie aufwühlen, so wie sie es immer aufwühlt, über ihren Sohn zu sprechen. "Das wird nie aufhören", sagt sie. Sie sei gerührt von der Geste des Bezirks - doch sie sei auch müde von all den Fragen, der falschen Berichterstattung. "Immer wird behauptet, Chris sei geflohen, weil er nicht zur Armee wollte. Doch sein Entschluss stand viel eher fest. Er konnte einfach nicht eingesperrt sein." Schon während seiner Ausbildung als Kellner am Flughafen Schönefeld habe er den Traum gehabt, dem DDR-Regime zu entkommen. Anfang 1989, als Freunde ihm erzählten, dass der Schießbefehl an der Grenze ausgesetzt sei, machte er Ernst.
Das DDR-Regime sprach von einem "tragischen Unfall", im Ausland löste der Vorfall eine Welle von Protesten aus. Karin Gueffroy stellte zwei Monate nach den tödlichen Schüssen einen Ausreiseantrag. Er wurde abgewiesen. Erst als sie drohte, die Mütter aller Opfer zu mobilisieren, ließ man sie gehen.
Am 21. Juni 2003, Chris Gueffroy wäre an diesem Tag 35 Jahre alt geworden, wurde an dem Ort, an dem er erschossen wurde, eine Stele errichtet. Ein Jahr später beschloss die Bezirksverordnetenversammlung Treptow-Köpenick, eine Brücke nach ihm zu taufen. Doch Brückenbenennungen sind Sache des Senats, und der schmetterte den Vorschlag ab. Grund: Brücken würden in Berlin nur nach Frauen benannt. Dass nun wenige 100 Meter von der Stele die Chris-Gueffroy-Allee verläuft, verdankt Karin Gueffroy dem Heimatverein Köpenick. Ralf Drescher, stellvertretender Vereinsvorsitzender, erzählt: "Am 13. August 2009 wurde die Lutz-Schmidt-Straße eingeweiht, die erste Straße für ein Maueropfer. Später am Abend trafen wir Frau Gueffroy. Da haben wir ihr spontan vorgeschlagen, eine Straße nach ihrem Sohn zu benennen."
Karin Gueffroy willigte ein. Sie hofft, dass die Einweihung ihr letzter Gang in die Öffentlichkeit ist.
Leser*innenkommentare
JoHnny
Gast
"vor 49 jahren"
werter julius schophoff,
und die chronisch wortreichen LinksFürsten Gysi und LaFontaine - angebliche verteidiger der demokratie und des sozialstaates - schweigen zum "13. August"...
Britt
Gast
Ich stimme Ihnen uneingeschränkt zu. Unfassbar, dass wegen Mord ein solcher Wind veranstaltet wird. Nach ihrem Rechtsverständnis hätte man die Straße vermutlich nach Walter Ulbricht benennen sollen.
Gregor
Gast
Der dem Sozialismus entfliehen will muss damit rechnen. so einfach ist ist das. Warum jetzt so ein Wind darum gemacht wird kann ich nicht nachvollziehen.