Neuer Regierungssprecher Seibert: Sein erstes Mal

Ex-ZDF-Moderator Seibert will als Regierungssprecher keine Sachkenntnis vortäuschen. Bei seiner ersten Bundespressekonferenz macht er von diesem Vorsatz Gebrauch.

Steffen Seibert: "Das sollte ich jetzt wissen." Bild: dpa

BERLIN taz | Es ist nicht nett, einen neuen Regierungssprecher mit einem Zitat des früheren Amtsinhabers Friedhelm Ost zu begrüßen. "Oft bin ich nicht an die richtigen Quellen gekommen", klagte Ost nach seinem Ausscheiden aus dem Amt im Jahr 1989. Er war nicht der einzige Chef des Presseamts, den Bundeskanzler Helmut Kohl während seiner 16-jährigen Amtszeit überging.

Doch mit dieser desillusionierenden Anekdote empfing der Vorsitzende der Bundespressekonferenz den neuen Regierungssprecher Steffen Seibert, der wie einst Ost direkt vom ZDF kommt. Und alle fragen sich, wie Seibert wohl mit der Kanzlerin kann. Sein Vorgänger Ulrich Wilhelm, demnächst Intendant beim Bayerischen Rundfunk, war nah dran an Angela Merkel. Die Journalisten ließ er daran nur begrenzt teilhaben.

Seibert macht es für den Anfang umgekehrt, als er am Montag zum ersten Mal vor der blauen Wand sitzt und die Fragen der Berliner Parlamentsjournalisten beantwortete. Er weiß nicht viel, wie sollte er auch. Die Kanzlerin hatte ihren ersten Arbeitstag nach dem Urlaub, früh um sieben hatte er kurz mit ihr gesprochen. Aber Seibert gibt sich auch wenig Mühe, Detailkenntnis vorzutäuschen.

"Ich bin echt nervös", diesen flapsigen Satz hatte er sich zur Begrüßung zurechtgelegt. "Es ist wie Abi, Führerscheinprüfung und diverse andere Dinge zusammen." Dann fängt er an wie im "heute journal". "Ich beginne mit einem Thema, das sehr ernsthaft ist." Pakistan, die Hilfen der Bundesregierung. Im Fernsehen wäre er irgendwann zu der Frage gekommen, ob die deutsche Unterstützung wirklich ausreichend ist. Diesen Nachsatz lässt er jetzt lieber weg.

Das zweite Thema ist die "Energiereise" der Bundeskanzlerin. Ausführlich liest er deren Stationen vor, darauf ist er vorbereitet. Aber will die Kanzlerin auf der Reise etwas lernen, oder will sie ihre Politik erklären? Man sieht, wie es denkt in Seiberts Kopf. "Es ist eine Lernreise, keine Erklärreise", sagt er dann.

Was hält er von der Drohung der Atomkonzerne, wenn es denn eine ist, die alten Meiler schneller abzuschalten? "Es ist nicht hilfreich für Gespräche, wenn Drohgebärden nach außen dringen." Aha, in den Gesprächen hat es diese Drohgebärden also tatsächlich gegeben? "Da bin ich nicht zugegen gewesen." Werden am 26. August schon Vorschläge zur Laufzeitverlängerung präsentiert? "Das sollte ich jetzt wissen." Und dann: "Ich denke nicht."

Es ist nicht leicht mit den Fragen von ein paar Dutzend Journalisten, selbst wenn man vorher vor Millionenpublikum im Fernsehen moderiert hat. "Ich bin neu in jeder Art von Behörde, neu in der Politik, neu in Berlin", wird Seibert zwei Stunden später sagen, als ihn die Kanzlerin vor den Mitarbeitern des Presseamts ins Amt einführt. Und zumindest das mit der Behörde werden ihm manche beim nicht eben unterbürokratisierten ZDF nicht glauben.

Jetzt, vor den Journalisten, gibt er die Fragen lieber an die Sprecher der einzelnen Ministerien ab. Das hätte er vielleicht schon früher tun sollen, aber woher soll ein Neuling im politischen Berlin so genau wissen, welcher Sprecher auf welche Frage antworten kann - und dann auch noch so, dass es im Sinn der Kanzlerin ist?

Es geht um die Frage, ob die Energiereise der Kanzlerin mit den zuständigen Fachministern abgesprochen war. "Wir sind bei der Reiseplanung nicht beteiligt", sagt ein Sprecher von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU). "Es gibt natürlich zu dieser Reise Gespräche", sagt die Sprecherin von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Hoppla, lauert da etwa ein Koalitionskonflikt?

Auch die Kanzlerin hilft ihm nicht wirklich. "Er hat heute, glaube ich, die eigentliche Feuertaufe des Jobs bestehen müssen", sagt sie am Nachmittag im Presseamt. "Man hat ihn ein bisschen getestet." Seiberts Qualität sei, "dass man ihm relativ schnell ansieht, wenn er etwas nicht zu 100 Prozent durchschaut". Dann steigt Merkel ins Auto, ohne länger auszuharren als nötig.

Seibert bleibt auf dem leeren Platz vor seiner Behörde zurück, lehnt sich für die Kameras ans Schild mit dem Bundesadler. "Man soll nicht so tun, als kapiere man etwas, was man in Wirklichkeit nicht kapiert", sagt auch er. "Ich beginne jetzt zu lernen, dass eine vernünftige Sprachregelung etwas sehr Wichtiges ist." Die hat er jetzt immerhin, in eigener Sache.

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