Von britischer Regierung gedeckt: Priester organisierte IRA-Terror

Father James Chesney organisierte im Jahre 1972 drei Anschläge in Nordirland mit neun Toten. Er wurde deswegen auf Bitten der Briten lediglich nach Irland versetzt.

Späte Kenntnis über den Täter: Opfer von 1972 bei Pressekonferenz in Claudy. Bild: ap

Es war einer der schlimmsten Anschläge im Laufe des Nordirland-Konflikts: Als im Juli 1972 drei Autobomben in der kleinen Ortschaft Claudy südlich von Derry explodierten, starben neun Menschen, darunter drei Kinder, mehr als 30 Menschen wurden verletzt. Der Mann, der den Anschlag geplant und daran teilgenommen hatte, war ein katholischer Priester: Father James Chesney. Das geht aus einem Untersuchungsbericht der nordirischen Polizei hervor, der am Dienstag in Belfast veröffentlicht worden ist. Polizei, britische Regierung und katholische Kirche deckten Chesney damals, um die ohnehin aufgeladene Atmosphäre nicht durch die Verhaftung eines Geistlichen weiter anzuheizen.

1972 hatte die Gewalt in der britischen Krisenprovinz ihren Höhepunkt erreicht, fast 500 Menschen kamen in dem Jahr ums Leben. Im Januar hatte die britische Armee in Derry 14 unbewaffnete Demonstranten getötet. Das war für Chesney der Auslöser, vom Sympathisanten der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) zum Aktivisten zu werden. Am 21. Juli zündete die IRA binnen 75 Minuten 22 Bomben in Belfast, neun Menschen starben. Als Antwort darauf stürmten 12.000 britische Soldaten in der Nacht zum 31. Juli die Barrikaden in Belfast und Derry, mit denen die Bewohnern ihre Viertel im Jahr zuvor gegen Armee und Polizei gesichert hatten.

Wenige Stunden später, um kurz nach zehn, explodierte die erste Bombe in Claudy. Die zweite Bombe wurde von der Polizei in einem anderen gestohlenen Wagen entdeckt, die Beamten leiteten die Passanten in Richtung Church Street um. Dort explodierte um halb elf die dritte Bombe. Die Täter hatten versucht, von einer öffentlichen Telefonzelle im Nachbarort eine Warnung durchzugeben, doch sie bekamen keine Verbindung. Die Telefone in zwei Geschäften funktionierten ebenso wenig, weil die Telefonzentrale nach einem IRA-Anschlag eine Woche zuvor zerstört worden war. Die IRA-Männer schickten daraufhin den Ladenbesitzer mit der Warnung zum nächsten Polizeirevier. Als er dort ankam, war die erste Bombe bereits explodiert.

Im August verhaftete die Polizei einen Verdächtigen, der ein Auto besaß, auf das die Beschreibung des Fluchtwagens passte. Der Mann hatte jedoch ein lupenreines Alibi: Er hatte den ganzen Morgen bei einem Pfarrer verbacht - bei James Chesney, der die Angaben bestätigte. Die IRA bestritt, irgend etwas mit den Anschlägen zu tun zu haben, und auch Chesney leugnete seine Beteiligung, als er von seinem Bischof befragt wurde. Chesney selbst hatte sich im Jahre 1973 lediglich gegenüber einem Priesterkollegen offenbart und die Tat gestanden , um "sein Gewissen zu erleichtern". So wurde niemand für den "Bloody Monday", wie der Tag seither genannt wird, zur Rechenschaft gezogen.

Im Jahr 2002 leitete die Polizei eine neue Untersuchung ein. Dabei kam heraus, dass man bereits damals von Chesneys Rolle als IRA-Quartiermeister und Operationschef in Süd-Derry wusste. Deshalb war er der Hauptverdächtige für den Anschlag von Claudy. Seine Verhaftung wurde aber von der Polizeispitze verhindert. Statt dessen wandte sich der stellvertretende Polizeichef an den damaligen Nordirland-Minister William Whitelaw und erklärte ihm, dass die Verhaftung eines katholischen Pfarrers der IRA womöglich starken Zulauf bescheren könnte. Whitelaw zog Kardinal William Conway zu Rate, der einräumte, dass "Chesney ein sehr böser Mann" sei und er überlegen werde, was er tun könne. Chesney wurde nach Malin Head in der Republik Irland versetzt, den nördlichsten Punkt der Insel, wo er 1980 im Alter von 46 Jahren starb.

Nordirland-Minister Owen Paterson drückte am Dienstag den Opfern und Hinterbliebenen des Anschlages seine "tiefe Entschuldigung" dafür aus, dass ihnen keine Gerechtigkeit widerfahren sei. Der Chef der irischen Katholiken, Kardinal Seán Brady, und Bischof Séamus Hegarty von Derry akzeptierten in einer gemeinsamen Stellungnahme die Untersuchungsergebnisse. Chesney hätte zu seinen Lebzeiten juristisch belangt werden müssen, sagten beide. Von einer Vertuschung seiner Taten durch die Kirche könne aber keine Rede sein: Der Bischof sei ja damals vom Minister um Chesneys Versetzung gebeten worden. Und die Polizei hätte Chesney auch später noch verhaften können, da er regelmäßig nach Nordirland gereist sei.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.