EU ringt um Mittel gegen Spekulanten: Transaktionssteuer totgerechnet

Die Finanzminister suchen noch immer nach einem Mittel gegen Spekulanten. Das Gutachten eines EU-Kommissars betont nun die Nachteile einer umfassenden Abgabe

Hatte die Steuermillionen schon in der Hand: Globalisierungsgegner auf einer Demonstration 2008 in Berlin.

BRÜSSEL taz | In der kommenden Woche werden sich die EU-Finanzminister mit der Frage befassen, ob die Union eine Finanztransaktionssteuer (FTT) oder eine Finanzaktivitätssteuer (FAT) einführen soll. Der für Steuerfragen zuständige EU-Kommissar Algirdas Semeta hat dazu ein Gutachten erarbeiten lassen, das der taz vorliegt. Es schätzt das aus der FTT mögliche Steueraufkommen in der EU auf bis zu 372 Milliarden Euro jährlich, stellt aber vor allem die möglichen Nachteile einer solchen Abgabe heraus: Sie könne Unternehmenskredite verteuern und so das Wachstum gefährden. Da sie auch auf kapitalbasierte Rentensysteme wie Pensionsfonds erhoben werde, könne sie zudem die Altersversorgung der kleinen Leute gefährden.

Der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold kritisiert das Arbeitspapier gegenüber der taz als "Kurzverriss der Steuer, der weit hinter der wissenschaftlichen und politischen Debatte zurückbleibt". Semeta sei "weiterhin auf Streitkurs gegenüber dem Europaparlament, gegenüber Mitgliedsstaaten wie Deutschland, aber auch gegenüber Befürwortern im eigenen Haus wie Binnenmarktkommissar Barnier".

Eine Sprecherin der EU-Kommission wies die Kritik zurück, das Papier betone einseitig die Vorteile einer Abgabe auf Gewinne von Banken und anderen Kreditinstituten (FAT) und stelle die FTT zu negativ dar. "Das Dokument ist neutral gegenüber den zwei Optionen", erklärte sie. "Für den Finanzministerrat nächste Woche soll es lediglich eine Gesprächsgrundlage sein. Kommissar Semeta ist weder für noch gegen eine Finanztransaktionssteuer."

Wer in dem 40-seitigen Papier sucht, der findet tatsächlich alle Argumente, die für eine FTT sprechen: Sie verteure hochriskante Finanzaktivitäten wie Derivate, beteilige den Finanzsektor an den Kosten einer möglichen Krise und erhöhe das Steueraufkommen. An anderer Stelle aber werden genau diese Vorteile wieder infrage gestellt: "Es ist unmöglich, allein anhand des Zeitfaktors schädliche von nützlichen Finanztransaktionen zu unterscheiden." Es habe sich gezeigt, dass eine kurzfristige Investition nicht unbedingt spekulativer sein müsse als eine langfristige. Viele Finanztransaktionen seien so komplex, dass die Wirkung einer solchen Steuer auf den Finanzmarkt völlig unkalkulierbar sei.

Im Haus des Steuerkommissars scheint man also von dem in der Krise gewonnenen Konsens abzurücken, dass Finanzgeschäfte, die nicht auf langfristigen Ertrag angelegt sind, ein stärkeres Spekulationselement enthalten und Finanzkrisen begünstigen können. Diese Erkenntnis sei nicht abgesichert, so die Argumentation im Hause Semeta.

Das Gutachten zeigt aber, dass eine FTT, die den Handel mit Derivaten, also abgeleiteten Risiken, ausnimmt, nur maximal 64 Milliarden Euro im Jahr bringen würde. Bei einer Steuer auf Gewinne der Kreditinstitute kämen maximal 26,2 Milliarden Euro im Jahr zusammen - also nur ein Drittel der Steuereinnahmen, die eine kleine Finanztransaktionssteuer verspricht.

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