Studie über Selbstständigkeit: Migranten gründen schneller

Der Anteil nicht-deutscher Unternehmer ist fast genauso hoch wie der deutschstämmiger. Doch sie gehen schneller pleite, weil es an guter Beratung fehlt.

Kritisiert die mangelnde Unterstützung für Nicht-Deutsche Unternehmer: Thomas Straubhaar. Bild: dpa

BERLIN taz | Thilo Sarrazin ist auch hier allgegenwärtig. Eigentlich stellte Gunilla Fincke vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration am Donnerstag die Ergebnisse einer Studie über die wirtschaftliche Selbstständigkeit von Migranten vor. Doch nahm sie dies gleich zum Anlass, die Thesen des Exfinanzsenators und Nochbundesbankers zu entkräften.

Entgegen dem, was Sarrazin schreibe, sei der Anteil der Migrantenunternehmer enorm hoch. Fincke nannte Zahlen: Etwa 12 Prozent der in Deutschland lebenden Ausländer sind selbstständig, ein fast genauso hoher Anteil wie unter Herkunftsdeutschen, der bei 14 Prozent liegt. Bei Neugründungen lägen Menschen mit Migrationshintergrund sogar vorn. Allerdings gehen ihre Firmen auch schneller pleite.

Mit der Studie wollte der Sachverständigenrat herausfinden, welches Beratungsangebot UnternehmerInnen mit Migrationshintergrund zur Verfügung steht und wie es genutzt wird.

Ein zentrales Ergebnis: Die Hälfte der UnternehmensgründerInnen aus Einwandererfamilien gibt an, bei der Gründung gar keine Schwierigkeiten gehabt zu haben. Diejenigen, die Probleme haben, wurden zumeist nicht professionell und in ihrer Herkunftssprache beraten. Die wohlbekannten Industrie- und Handelskammern richten ihr Angebot kaum auf Selbstständige mit Migrationshintergrund aus. Dagegen sind regionale und migrantenspezifische Beratungsorganisationen den meisten UnternehmensgründerInnen wenig bekannt. "Jeder vierte Unternehmer bleibt bei Schwierigkeiten ohne Unterstützung", bemängelt Thomas Straubhaar, Mitglied des Sachverständigenrats und Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts.

Jede fünfte UnternehmerIn mit Migrationshintergrund gibt Schwierigkeiten im Umgang mit Behörden an, ein gleich großer Anteil klagt über sprachliche und finanzielle Hürden.

Zudem lassen sich 44 Prozent der Neugründer wenig Zeit. Im Durchschnitt vergehen nur drei Monate von der Idee zum eigenen Unternehmen, was Startschwierigkeiten mit sich bringt.

Die Industrie- und Handelskammer räumt zwar Handlungsbedarf ein: "Daraus ergibt sich für uns aber nicht immer gleich, dass wir dafür zuständig sein dürfen", sagt Volker Treier, zuständig für Wirtschaft und Mittelstand. Die Studie zeige, dass sich Migranten bei Problemen vor allem von Steuerberatern betreuen lassen. "Wir dürfen da nicht von vornherein einen Markt vernichten", sagt Treier. Der Sachverständigenrat fordert, die IHK solle eine "Lotsenfunktion" einnehmen und ExistenzgründerInnen an spezifische Beratungsangebote für Migranten weitervermitteln.

Obwohl erfolgreich als Selbstständige sind Migranten im Staatsdienst mit nur einem Prozent sehr schwach vertreten, wie der integrationspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion Memet Kilic gestern kritisierte. Er fordert daher eine Einstellungsquote.

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