Kooperation von BKA und Verfassungsschutz: "Keine Diktatur zu sein ist zu wenig"

Der Innenminister will einen stärkeren Austausch von Personal zwischen BKA und Verfassungsschutz. Der Jurist Peer Stolle findet das hochproblematisch.

Neben Heinz Fromm (l.), Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, wäre noch Platz für einen Kooperationspartner. Bild: reuters

taz: Herr Stolle, Innenminister Thomas de Maizière (CDU) setzt die Annäherung des Bundeskriminalamts an die Geheimdienste fort. BKA und Verfassungsschutz sollen in Zukunft verstärkt Mitarbeiter austauschen. Kritiker warnen: Bald entstehe ein "deutsches FBI". Was ist eigentlich so schlimm an einer Einrichtung wie dem US-amerikanischen FBI?

Peer Stolle: Damit wird davor gewarnt, dass der Verfassungsschutz und die Polizei zu einer Institution verschmelzen. Zu Recht, denn beide Institutionen haben deutlich unterschiedliche Aufgaben: Die Polizei ist zuständig, wo es um Straftaten und Gefahrenabwehr geht, der Verfassungsschutz soll hingegen "verfassungsfeindliche Bestrebungen" aufklären, was immer man darunter versteht. Der Verfassungsschutz hat hierfür besondere Privilegien, die auf keinen Fall auch auf die Polizei ausgeweitet werden sollten.

Was meinen Sie?

37, sitzt im Vorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins. Seine Schwerpunkte sind Straf- und Polizeirecht.

Der Verfassungsschutz arbeitet naturgemäß im Geheimen. Seine Arbeit rechtsstaatlich zu überprüfen ist fast nicht möglich. Die Polizei kann zwar auch Zwangsmaßnahmen vornehmen wie Durchsuchungen, Beschlagnahmungen oder Ähnliches. Was die Polizei angeht, haben wir aber ein Recht darauf, jeden einzelnen ihrer Arbeitsschritte vor Gericht zu kontrollieren. Wenn nun diese - eigentlich getrennten - Bereiche von Polizei und Geheimdiensten miteinander vermischt werden, wird eine rechtsstaatliche Kontrolle der Polizeiarbeit für die Betroffenen deutlich erschwert.

Zum Beispiel?

Gerade in politischen Strafverfahren, wie jüngst in den Verfahren gegen vermeintliche Mitglieder der "militanten gruppe", werden oft Erkenntnisse des Verfassungsschutzes verwertet oder solche Verfahren erst aufgrund dieser Erkenntnisse eingeleitet. Woher diese Informationen kommen, ist nur schwer nachvollziehbar, da die Quellen nicht offengelegt und Akten nicht herausgegeben werden. Ein rechtsstaatliches Strafverfahren ist dann nicht möglich. Auch aus diesem Grund gibt es das Gebot der Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten. Das ist übrigens eine Lehre aus der Nazi-Zeit.

Dieses Argument wird in Polizeikreisen gelegentlich etwas abschätzig als das "Gestapo-Argument" bezeichnet. Will sagen: Im Jahr 2010 zieht das Argument nicht mehr.

Keiner sagt, dass eine Diktatur bevorsteht. Ein Rechtsstaat sollte sich aber nicht daran messen, dass er keine Diktatur ist. Das ist zu wenig.

Ein weiteres Gegenargument von polizeilicher Seite lautet: Wenn beide Seiten, Polizei und Geheimdienste, dem Grundgesetz zufolge getrennt sein sollen, dann heißt das noch lange nicht, dass sie nicht zusammenarbeiten dürfen.

Andererseits läuft das Trennungsgebot aber immer weiter leer, wenn beide Seiten immer enger zusammenarbeiten. Politisch ist deshalb klar: Wir brauchen eine Polizei, die kontrollierbar ist. Das ist nur möglich, wenn sie von den Geheimdiensten strikt getrennt ist.

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