Protest gegen Daimler-Pläne: Banker auf der Straße

300 Mitarbeiter der Daimler-Bank sollen nach Stuttgart umziehen. Der Betriebsrat stellt eine Alternative vor.

Vier Männer in dunklen Anzügen laufen mit einem Banner über den Potsdamer Platz. "Berlin rechnet sich! Warum sollen wir gehen?", steht in schwarzen Lettern auf dem Transparent. 30 Mitarbeitern des Daimler Financial Service (DFS) folgen den vier mit Tröten, Trillerpfeifen und Plakaten. Touristen nehmen verdutzt Flugblätter von den Demonstranten in Banker-Kluft entgegen. Eine Protestlerin empört sich: "Unsere Quartalsgewinne sind über den Erwartungen, wir wurden deswegen vom Vorstand gelobt." Trotzdem sollen in zwei Jahren 250 Stellen bei der Daimler-Tochter abgebaut und die Zentrale von Berlin nach Stuttgart verlegt werden. "Ich bin Berlinerin", sagt die 38-Jährige. Nur als letzte Alternative würde sie den Weg in den Süden antreten, denn die Aussichten auf dem Berliner Arbeitsmarkt seien schlecht. Die Bank verdient ihr Geld unter anderem mit Autoleasing und Tagesgeldgeschäften.

Mitte Mai war vom DFS-Vorstand verkündet worden, den Hauptsitz der Bank-Zentrale ins Schwäbische zu verlagern, 300 Banker sollen mitziehen. Seitdem herrsche ein neuer Tonfall im sonst eher zurückhaltenden Betriebsrat, erzählt eine Mitarbeiterin. "Pfui, der Vorstand soll sich schämen" - solche Parolen hätte man dort nie für nötig gehalten. Jetzt wurden sie auf der Betriebsversammlung skandiert.

Im Business-Jargon heißt die geplante Umsiedlung "neue strategische Ausrichtung". Insgesamt will das Unternehmen damit 50 Millionen Euro pro Jahr sparen, ungefähr die Hälfte durch sinkende Personalkosten. Jedem Mitarbeiter ist freigestellt, den Weg in den Süden anzutreten oder das Unternehmen zu verlassen - 250 Stellen sollen wegfallen.

Die Mitarbeiterin erzählt, dass der Vorstand gefragt wurde: "Was machen sie, wenn alle mit nach Stuttgart kommen?" Die Antwort: "Dann habe wir Problem." DFS-Sprecher Christian Müller betont, jeder der zum Umzug bereit ist, habe einen Arbeitsplatz sicher. Die "Annahme", dass alle den Weg nach Süden antreten, sei schlichtweg "nicht realistisch".

In Berlin entstehen gleichzeitig 150 neue Stellen. Allerdings nicht mehr am Potsdamer Platz. Im Berliner Umland sei die Daimler-Tochter momentan auf der Suche nach einer Immobilie, so Sprecher Müller. 550 Mitarbeiter aus verschiedenen Geschäftsstellen der deutschen Finanztochter Mercedes Benz Bank (MBB) in ganz Deutschland will Daimler in dem Service-Center ansiedeln. "Viele Mitarbeiterinnen in den Geschäftsstellen sind alleinerziehende oder dazuverdienende Mütter, die können nicht einfach umziehen", sagt Betriebsrätin Sabine Manns.

Das Unternehmen wünscht sich, dass umzugsunwillige Mitarbeiter einfach bei dem neuen Service-Center anfangen. Doch für Manns' Kollegen bietet sich ein berlininterner Wechsel nicht an. "Für uns gibt es aufgrund der Qualifikationen und des Tarifgefüges dort keine Arbeitsplätze", sagt Manns. Es bleibt die Kündigung oder der Umzug. Insgesamt arbeiten 1.850 Mitarbeiter bei DFS und MBB in Deutschland - nach dem Umzug sollen es 1.600 sein.

"Sonst wurden Stellen der Bank immer geräuschlos abgebaut", sagt Klaus Abel, 2. Bevollmächtigter der IG Metall. Jeder verstehe, wenn es neue strategische Ziele gibt und gespart werden müsse, sagt auch Betriebsrätin Manns. "Die Initiative hätte aber von unten aus der Belegschaft kommen müssen." Denn 50 Millionen pro Jahr seien schließlich keine "unmögliche Hürde", vor allem angesichts des ansehnlichen Gewinns. Und: "Wozu muss bei dem heutigen technischen Stand die Bank in die Nähe des Daimler-Werkes?", fragt sich Manns. Nach Vorstellung von Gewerkschafter Abel könnten Umschulungen an verschiedenen Standorten eine Teil der Verschiebungen der Mitarbeiter verhindern.

Gewerkschaft und Betriebsrat haben durchgesetzt, dass das gewerkschaftsnahe IMU-Institut ein alternatives Modell entwickelt. Dem Vorstand wird das Modell am morgigen Freitag zur Prüfung vorgestellt. Laut Sprecher Müller will man den Vorschlag wohlwollend unter die Lupe nehmen - was aber einige Tage dauern dürfte.

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