Stichwahl in Guinea erneut verschoben: Eine halbe Million Wahlzettel fehlen

Zwei Tote und mehr als 50 Verletzte bei Ausschreitungen in der Hauptstadt Conakry. Und nun wurde der Stichwahl-Termin für die Präsidentschaftswahl erneut verschoben.

Passanten in Conakry vor einem Plakat des Kandidaten Alpha Condé. Bild: reuters

Die Szenen erinnern an Guinea zu schlechteren Zeiten: Anhänger der beiden Präsidentschaftskandidaten bewerfen einander mit Steinen, Autos gehen in Flammen auf. Polizisten mit Knüppeln und Wasserwerfern versuchen, die tobende Masse auseinanderzutreiben. Die Bilanz des blutigen Wochenendes: mindestens zwei Tote und mehr als fünfzig Verletzte. Eine Woche vor der geplanten Stichwahl, die die Herrschaft des seit Ende 2008 regierenden Militärs beenden soll, sagte die Übergangsregierung vorläufig alle weiteren Wahlkundgebungen ab.

Nun wurde die Stichwahl um das Präsidentenamt in Guinea erneut verschoben. Die organisatorischen Voraussetzungen für die Wahl, die an diesem Sonntag stattfinden sollte, seien nicht erfüllt, erklärte der Sprecher der Nationalen Wahlkommission, Thierno Ceydou Bayo, am Mittwochabend in der Hauptstadt Conakry. Unter anderem fehlten mehr als eine halbe Million Wahlzettel. Die Wahlkommission brauche für die Vorbereitung noch mindestens zwei Wochen. Über einen neuen Wahltermin werde am Donnerstag beraten.

Die Gewaltakte in Conakry sind der bisherige Höhepunkt der Spannungen, die sich seit Wochen aufgebaut haben. Beide Kandidaten brauchen für ihren Sieg möglichst viele Stimmen von unentschiedenen Wählern, die vor allem in der Hauptstadt vermutet werden.

Cellou Dalein Diallo, der im ersten Wahlgang vor mehr als zwei Monaten fast 44 Prozent der Stimmen gewann, gilt als Favorit. Er ist ein Politprofi, der sowohl in Militärregierungen als auch unter dem langjährigen Gewaltherrscher Lansana Conté als Premierminister gedient hat. Sein prominentester Unterstützer ist Sidya Touré, der als integrer Technokrat gilt und im Falle eines Diallo-Sieges vermutlich Regierungschef werden wird.

Die Chancen für den mit 18 Prozent zweitplatzierten Konkurrenten Alpha Condé stehen schlechter, sein Sieg ist aber nicht ausgeschlossen. Der über 70-Jährige kann - im Gegensatz zu Diallo - vor allem mit seiner persönlichen Geschichte punkten. Zeit seines Lebens kämpfte Condé in der Opposition. Vor allem in Conakry zählt diese Art von Integrität mehr als ein Wahlprogramm oder die Ethnie der Kandidaten, die auf dem Land den Ausschlag gibt. Doch während Condés Anhänger ihn als Freiheitskämpfer feiern, ist der alte Mann gerade jüngeren Guineern fast schon wieder unheimlich. Weder seine Reden noch sein Team lassen ahnen, was genau Condé - außer regieren - eigentlich will.

Die beiden Kandidaten repräsentieren die größten Bevölkerungsgruppen Guineas: Diallo ist Fulani, so wie die meisten Guineer. In seinen Reden wettert er immer wieder, dass die Fulani dennoch noch nie ein Staatsoberhaupt gestellt hätten. Die Malinke, zu denen auch Condé gehört, stellen die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe. Weil Guinea ein Vielvölkerstaat ist, reicht aber keine Hausmacht allein aus.

Dazu kommt der Einfluss des Militärs, das sich bisher demonstrativ aus den Wahlen herausgehalten hat. Die Abstimmung Ende Juni war die mit Abstand fairste seit Guineas Unabhängigkeit 1958, obwohl in den vergangenen Wochen immer wieder neue Fälschungen aufgedeckt wurden. Zwei hochrangige Chefs der Wahlkommission wurden deshalb zu je einem Jahr Haft verurteilt. Doch die Hintergründe dieser Verurteilungen werden in Conakry heiß diskutiert. "Diese Entscheidung soll die Wahlen torpedieren und dazu führen, dass die Abstimmung verschoben wird", schäumt Soulaymane Bah, Sprecher von Diallos Wahlkampfteam, vor Wut.

Aus Sicht vieler Diallo-Anhänger ist die Entlassung vor allem von Boubacar Diallo, der als Verbündeter des Favoriten gilt, ein Versuch der Junta, Condé bessere Chancen zu verschaffen. Denn in der Militärregierung sitzen viele Malinke und nur wenige Fulani.

Es geht um handfeste Interessen. Der unter der Junta amtierende Minenminister Mahmoud Thiam hat in den vergangenen zwölf Monaten milliardenschwere Verträge mit Chinas Regierung und mehreren Rohstoffunternehmen abgeschlossen. Zwar haben beide Kandidaten angekündigt, die Verträge zu sichten und Entscheidungen womöglich rückgängig zu machen. Doch in der Junta gibt es viele, die sich vor allem eines wünschen: einen Präsidenten, der ihnen ihre Pfründen nicht wegnimmt.

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