Häuschen mit Garten

ARCHITEKTURERBE Die Waldsiedlung „Krumme Lanke“ geht auf Pläne des Nationalsozialismus zurück. Eine Stele erinnert daran

Es ist wirklich schön da draußen in der Waldsiedlung „Krumme Lanke“ im Südwesten von Berlin. 300 Giebelhäuser mit Gärten erstrecken sich friedlich über den Raum zwischen Quermatenweg und Argentinischer Allee in Zehlendorf. Mit den um die Ecke liegenden Seen gilt die Siedlung als eine noble Wohnadresse. Nichts scheint an die Zeit zwischen 1938 und 1940 zu erinnern, in der die Siedlung entstand. Sie war als SS-Kameradschaftssiedlung gedacht, und 90 Prozent der Bewohner waren Mitglieder von Hitlers Elitetruppe.

Mit der kürzlich enthüllten Informationsstele „Von der SS-Kameradschaftssiedlung zur Waldsiedlung Krumme Lanke“ wird nun öffentlich daran erinnert. Die Stele wurde von der Künstlerin Karin Rosenberg entworfen, die Inschrift verfasste der Architekturhistoriker Dr. Wolfgang Schäche.

Bereits im Vorfeld gab es viel Unmut über den Umgang mit der Erinnerung. „Uns hat keiner informiert. Nicht mal zur Enthüllung Mitte Dezember gab es eine Einladung“, empört sich ein Anwohner, der seit über 60 Jahren in der Siedlung wohnt. Doch viel größer scheint die Angst unter den älteren Bewohnern zu sein, der Selmaplatz, der einstige „Führerplatz“, könne ein Treffpunkt für Neonazis werden. So sprach ein Anwohner von einem zukünftigen „Aufmarschgebiet“, ein weiterer von einer „Weihestätte“ für die Neonazis. Sven Hurdelbrink (45) vom Verein Waldsiedlung Krumme Lanke hält wiederum die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit für legitim: „Die Information ist ja sowieso da, deshalb sollte man damit auch nicht hinterm Berg halten.“

Die Funktion der Stele ist eindeutig: Information und Aufklärung. Nicht zuletzt, um den Widerspruch zwischen der ästhetischen Erscheinung der Siedlung und ihrer ursprünglichen Nutzungsbestimmung sichtbar zu machen. Bei der öffentlichen Übergabe an einem nasskalten Tag betonen die Autoren: Der Ort ist kein Ort der Taten, sondern der Täter. Der Text informiert über das Bauvorhaben der SS-Führung. Ursprünglich sollte eine geschlossene Siedlung für die Angehörigen der in Berlin ansässigen SS-Hauptämter geschaffen werden. 1938 wurde dann mit dem Bau der Wohnanlage begonnen. Zentrale Planungselemente wie ein Kinderhort, ein Mannschaftshaus für Studenten oder ein Kasino wurden aber nie verwirklicht. Der geplante Bau einer „geschlossenen Siedlung“ scheiterte an der Finanzierung.

Nach der Enthüllung der Stele saß der Publizist und Schriftsteller Gerhard Schoenberner in einem nahegelegenen Café und ärgerte sich über den Text. „Die Stele zählt all die Häuser auf, die nicht gebaut wurden. Das ist uninteressant. Viel wichtiger ist doch, was tatsächlich daraus entstand.“ Das hätte Schoenberner, der hier selbst seit 1946 wohnt und Gründungsdirektor der Gedenkstätte „Haus der Wannsee-Konferenz“ ist, gerne auf der Tafel gelesen. Dass zum Beispiel zur Zeit des Nationalsozialismus der größte Teil der Bewohner der Himmler-Zentrale zugeordnet war. Damit war die Krumme Lanke ein Ort der Organisation nationalsozialistischen Verbrechens, so Schoenberner.

Wird also mit dieser Stele eher Verschleierung als Aufklärung betrieben? Über die Äußerungen des Publizisten ärgert sich Sabine Weißler, die Leiterin des Kulturamtes und Initiatorin der Stele: „Gerade Schoenberner tritt überall dafür ein, historische Spuren zu sichern, aber sobald das vor der eigenen Haustür stattfindet, sieht er das ganz anders.“ Sie hat in Absprache mit Wolfgang Schäche die Einwände der Bewohner berücksichtigt, die eindeutig eine Erwähnung des damaligen Reichsführers der SS Heinrich Himmler ablehnten. „Es ist schwer, einen Kompromiss zu finden und dabei noch historisch korrekt zu bleiben“, sagt Weißler. Eine Ausstellung über die Siedlungsgeschichte der Region im Jahr 2011 soll weiter zur Aufklärung beitragen.SIMONE JUNG