Kampf für die Stimmlosen

AKTIVISMUS Shoot4Change: Mit Fotos die Welt verändern – auch in Berlin

Um diese Geschichte zu erzählen, legt Antonio Amendola sein iPad zur Seite: „Wir sind in ein Obdachlosenheim gegangen und haben Porträtfotos mit den Menschen dort gemacht. Die Bilder haben wir den Fotografierten geschenkt. Die Obdachlosen konnten kaum fassen, wie schön sie sind. Sie haben endlich wieder ihr Selbstwertgefühl gespürt. Das war berührend.“

Amendola ist der Gründer von „Shoot4Change“. Die Gruppe muss man sich wie eine Art Foto-NGO vorstellen – ein unabhängiges, nicht profitorientiertes Projekt, das durch Fotografieren die Welt verbessern will. Nachdem es Shoot4Change bereits in Ländern wie Weißrussland, Italien und den USA gab, existiert mittlerweile auch eine Gruppe in Deutschland. Mit Riccardo Valsecchi und Stefanie Hövermann hat Amendola in Berlin Mitstreiter gefunden. Man arbeitet nun gemeinsam mit dem Flüchtlingsrat an einem Podcast über Racial Profiling, also Rasterfahndungen nach ethnischer Zugehörigkeit. Ausstellungen sind geplant. Derzeit arbeiten alle von zu Hause.

Weltweit kann jeder teilnehmen, der eine Kamera, gute Absichten und einen Internetanschluss besitzt. Afrikanische Immigranten in der Schweiz, Kinder, die auf einer Mülldeponie in Kambodscha leben, eine von Frauen gebaute Kläranlage in Äthiopien: Dies alles sind Geschichten, die Amendola und sein Freiwilligenteam kuratieren und auf ihrer Homepage zeigen. „Wir kämpfen für die Stimmlosen. Fotos sind unsere Waffen.“

Amendola nennt dieses Prinzip „Social Photographing“. Vor einigen Jahren hat er selbst als Amateurfotograf die Folgen eines Erdbebens in einem italienischen Dorf dokumentiert. Die Medien hatten kein Interesse daran. So hat Amendola darüber gebloggt. Und festgestellt, dass es auf Interesse stößt – und dass es viele solcher Geschichten gibt. So entstand vor vier Jahren die „Bewegung“ (Amendola).

Aufmerksamkeit für Probleme zu schaffen sei der erste Schritt. Amendola holt wieder sein iPad hervor und zeigt, wie das funktionieren kann: „Dieser Mann musste in einem mexikanischen Dorf 26 Jahre lang im Tierkäfig leben. Er war psychisch krank, aggressiv. Die Familie wusste nicht, wie sie mit ihm umgehen soll. Durch unsere Dokumentation hat ein Arzt davon erfahren. Er hat den Mann dann kostenlos behandelt.“

Dieses Jahr will Amendola Sponsoren finden – für weitere Helfer, für eine Fotoschule. Zunächst, so Amendola, muss das Projekt finanziell stabilisiert werden. An Motivation mangelt es ihm nicht: „Diese Arbeit ist überwältigend. Es ist schön, dass die Initiative wächst.“

DMITRIJ KAPITELMAN

Info: www.shoot4change.net