Streit der Woche: "Embryonen werden getötet"

Muss man Angst vor dem Designerbaby haben? Es sei technisch gar nicht möglich, sagen Repro-Mediziner. Schon jetzt werde bei der Präimplantationsdiagnostik selektiert, entgegnen Kritiker.

Werden bald nur noch völlig gesunde Babys geboren? Bild: Archiv

Gendefekt. So lautet die Diagnose des Arztes, der Sonja Werner erklärt, weshalb sie eine Fehlgeburt hatte. Ihre Erbinformation ist dafür verantwortlich, dass das Kind in ihrem Bauch gestorben ist. Als Sonja Werner diese Diagnose erhält, ist sie Anfang 20.

Die Fehlgeburt ist schon ihre zweite. „Aber der Kinderwunsch war einfach da“, sagt sie, „wie ein Stimmchen im Hintergrund, das sagt: nicht aufgeben, das klappt.“ Nach einer künstlichen Befruchtung verliert sie ihr drittes Kind. Dass ihre Gene schuld sind, ist für sie ein Schock: „Der Test ist positiv, man ist total glücklich und dann sitzt man irgendwann im Krankenhaus beim Arzt und der sagt: Fehlgeburt, Pech gehabt.“

Ihre Hoffnung hieß Präimplantationsdiagnostik - kurz: PID. PID ist eine Art Gencheck der befruchteten Eizelle im Reagenzglas, bevor diese dann in die Gebärmutter eingesetzt wird. Es klappt: Nach ihren drei Fehlgeburten bekommt Sonja Werner eine Tochter. Sie ist gesund und heute vier Jahre alt. „Ich finde“, sagt Sonja Werner, „dass die Methode ganz klar erlaubt werden sollte.“

Doch die Methode der Präimplantationsdiagnostik ist in Deutschland umstritten. Der Arzt, der die PID bei Sonja Werner durchführte, zeigte sich nach dem medizinischen Eingriff selbst an. Im Juli urteilte der Bundesgerichtshof daraufhin, die Präimplantationsdiagnostik sei vereinbar mit dem Embryonenschutzgesetz und erklärte das Verfahren damit für zugelassen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich dennoch kürzlich für ein Verbot der Methode aus. Spätestens im Januar soll der Bundestag über ein Gesetz zu Präimplantationsdiagnostik abstimmen. Gegner der Methode befürchten vor allem, dass die PID der erste Schritt zur Genselektion sei.

Thomas Katzorke, 62, gründete die erste Praxis für Reproduktionsmedizin in Deutschland. Er kann diese Befürchtungen nicht teilen. „Man kann die häufigsten Krankheiten finden, etwa 200, mehr nicht“, schreibt Katzorke im Streit der Woche der sonntaz. Vielleicht sei es in ein paar Jahren möglich, die Haarfarbe des Kindes zu bestimmen, aber so etwas wie das Musikergen oder Ähnliches werde man nie finden. Deswegen müsse man die Gesetze an den Fortschritt anpassen: „Wir brauchen in Deutschland eine extra Behörde für die Fortpflanzungsmedizin, wie es sie in Großbritannien gibt.“

Hubert Hüppe, 54, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, zweifelt an der Notwendigkeit der Methode. „Die Hauptinteressen“, schreibt Hüppe in der sonntaz, „liegen bei Repro-Medizinern, die ein Geschäft wittern und bei bei Forschern, die menschliches Material für ihre Forschung wollen.“ Für ihn geht es bei der Präimplantationsdiagnostik nicht darum, ob jemand Kinder bekomme, sondern welche Qualität die Kinder haben sollen. „Menschliche Embryonen werden nach lebenswert und lebensunwert sortiert und nach unerwünschter Diagnose getötet.“

Diese Meinung teilt auch Michael Wunder. Wunder, 58, ist Psychologe und Mitglied des Deutschen Ethikrats. Für ihn birgt PID eine große Gefahr. “Wo PID erlaubt ist“, schreibt Wunder in der sonntaz, „weitet sich ihr Anwendungsbereich aus: von der Wegwahl genetisch auffälliger zur Auswahl erwünschter Embryonen.“Die einzige Kompromisslinie könnte ein lizenziertes Zentrum sein, kontrolliert von einer Ethikkommission, wo PID nur in Ausnahmefällen angewendet werden darf.“ Gleichzeitig müsse aber ein prinzipielles PID-Verbot gelten.

Im Streit der Woche der sonntaz schreiben außerdem Ulrike Flach, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, der taz-Leser Jörg Schäfer sowie der Science-Fiction Autor Andreas Eschach, der erklärt, warum man eher Angst um das Designerbaby haben muss als vor ihm.

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