Kommentar Italien: Ein angemessener Repräsentant

Noch haben die Kosten der Ego-Politik Berlusconis deren Nutzen wohl nicht überstiegen. Deshalb darf der Premier weitermachen und das Land noch tiefer in den Schlamassel reiten.

Gegen Verdrossenheit hilft häufig der Blick nach draußen. Wer sich über den Zustand der deutschen Politik beklagt, der mag sich einmal anschauen, was in Italien ein paar Wochen lang als Zeichen für große Hoffnung galt. Dort geriet ein windiger Selfmade-Unternehmer namens Berlusconi mit seiner Regierung in Schwierigkeiten, weil sich ein früherer Neofaschist namens Fini bei der Karriereplanung verspekuliert hatte. Neuwahlen hätten an dieser Konstellation laut Umfragen nichts Grundlegendes geändert, sondern nach dem bewährten Muster der italienischen Nachkriegsrepublik allenfalls die Gewichte innerhalb des Regierungslagers neu verteilt.

Nicht einmal dazu ist es jetzt gekommen. Silvio Berlusconi kann weitermachen als der wohl angemessene Repräsentant eines Landes, dessen Niedergang kaum noch aufzuhalten ist. Die teils vormodernen und gegen die Einflüsse der Globalisierung weitgehend abgeschotteten Strukturen des Landes haben sich beim weltweiten Bankencrash vor zwei Jahren zwar als hilfreich erwiesen. Gegen die Schuldenkrise nützen sie jedoch nichts mehr, im Gegenteil. Wenn sich Berlusconi hier als Retter in der Not inszeniert, fragt sich das außeritalienische Publikum verwundert, wer das Land seit 1994 die meiste Zeit eigentlich regiert hat. In der italienischen Debatte spielen solche Fragen kaum eine Rolle. Über Koalitionsgeplänkel und Eurokrise, Interessenkonflikte und Sex mit Minderjährigen wird gerade auch in oppositionellen Medien debattiert, als handele es sich um Themen von identischem Gewicht. Solange Berlusconi das Unterhaltungsbedürfnis des Publikums bedient und die Mehrheit vor politischen Zumutungen bewahrt, kann er von dieser Verwirrung nur profitieren.

Wenn die Kosten solcher Ego-Politik deren Nutzen zu übersteigen drohten, hat sich Italien oft zu erstaunlichen Kraftakten aufgerafft. Zuletzt bei der Euro-Einführung, als eine Linksregierung zum Erstaunen der Partnerländer die Beitrittskriterien erfüllte, im Gegensatz zu Griechenland sogar ohne nachweisbare Bilanzfälschung. Dieser Punkt ist in der aktuellen Krise offenbar noch nicht erreicht.

Üben wir uns also in Geduld. Vorausgesetzt, das Land verfügt über diese oft bewunderte Fähigkeit, sich aus dem selbst geschaffenen Schlamassel irgendwie herauszuziehen, heute noch. Aber dafür spricht im Moment gar nichts.

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