Studie zu sozialer Gerechtigkeit: Die Armen sind die Dummen

Deutschland landet bei Bildungsgerechtigkeit im OECD-Vergleich nur im Mittelfeld. Die Kinderarmut wächst. Vorbild müssen die skandinavischen Staaten sein.

Schüler in Berlin: Haben sie alle die gleichen Chancen? Bild: dapd

Die Chancen von Kindern armer Eltern, durch Bildung aufzusteigen und am gesellschaftlichen Wohlstand teilzuhaben, sind in Deutschland geringer als in anderen Industrieländern. Das zeigt eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zur sozialen Gerechtigkeit. Die andauernde Ungerechtigkeit beim Zugang zu Bildung ist der Studie zufolge ein wesentlicher Grund, warum Deutschland beim Thema soziale Gerechtigkeit Nachholbedarf hat.

Als sozial gerecht verstehen die Autoren, dass jeder Mensch die gleichen Chancen auf Teilhabe hat. Wie es um diese Chancen in 31 OECD-Staaten bestellt ist, haben die Autoren unter fünf Aspekten gemessen. Neben dem Zugang zu Bildung gewichteten sie besonders, wie wirksam die Länder gegen Armut vorgehen und wie gut ihre Bürger in den Arbeitsmarkt integriert sind. Eine geringere Rolle spielten die Faktoren Generationengerechtigkeit und sozialer Zusammenhalt.

Deutschland steht in diesem Ranking auf Platz 15 und damit im OECD-Mittelfeld. Betrachtet man allein den Gesichtspunkt der Zugangsgerechtigkeit zu Bildung, fällt die Bundesrepublik jedoch auf Platz 22 zurück. Hier legten die Autoren die Messlatte der Pisa-Studien an. Laut der letzten im Dezember veröffentlichten Pisa-Erhebung haben sich die Bildungsaussichten von Kindern aus unterprivilegierten Familien zwar verbessert, sind aber immer noch schlechter als die bessergestellter Mitschüler.

Besorgnis erregt bei den Bertelsmann-Autoren auch die Tatsache, dass der Anteil erwerbstätiger armer Menschen in den vergangenen zehn Jahren zugenommen hat und Kinderarmut wächst. Jedes neunte Kind lebt in hier unterhalb der Armutsgrenze. Damit wachsen die Kinder zwar privilegierter auf als in vielen anderen OECD-Ländern. In den USA etwa gilt mittlerweile jedes fünfte Kind als arm.

Doch beobachten die Gütersloher Stiftungsmitarbeiter auch in Deutschland eine steiler werdende soziale Schieflage. Deutschland könnte insbesondere von den skandinavischen Ländern lernen, die in puncto Chancengerechtigkeit eine Klasse für sich seien, meint Studienautor Daniel Schraad-Tischler. "Dort lernen Kinder konsequent integrativ in Ganztagschulen mit geringer Separierung." Die frühe Aufteilung der Schüler auf Schularten prangerte auch die OECD im Dezember als sozial ungerecht an.

Eine umfassende Reform im Bildungsbereich ist jedoch in Deutschland praktisch unmöglich, da jedes Bundesland die Alleinherrschaft über sein Bildungssystem hat. Eine umfassende Strategie zur Bekämpfung von Bildungsarmut fehlt daher. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) verhandelt gerade mit den Ländern, wie Kinder aus Hartz-IV-Familien leichter an Schulessen und Nachhilfe kommen.

Der neue Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, der niedersächsische Minister Bernd Althusmann (CDU), sagte der taz: "Es muss unser Ziel sein, die frühkindliche Bildung weiter auszubauen und den Übergang vom Kindergarten in die Grundschule weiter zu erleichtern. Auch beim Ausbau der Ganztagsangebote sollten wir den eingeschlagenen Weg fortsetzen." Althusmann warb außerdem für gezielte Sprachförderprogramme für alle Kinder. "Das sichere Beherrschen der deutschen Sprache ist der Schlüssel zum Bildungszugang und damit auch zum Bildungserfolg."

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